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Zum 150 Jahrestag seiner Geburt am 22. April 1870:

Den Imperialismus erkennen: die Aktualität der Lehre Lenins

Von Luca Frei

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Luca Frei, Koordinator der Gioventù Comunista

Am 22. April 1870 wurde in Simbirsk der grosse Revolutionsführer und Kommunist Wladimir Lenin geboren, der die Oktoberrevolution leitete und danach die Sowjetunion in ihrer Gründungszeit regierte. Abgesehen von seiner besonderen Bedeutung in der praktischen Anwendung des wissenschaftlichen Sozialismus, hat Lenin auch wichtige Analysen geliefert, die sich für uns auch heute von erheblichem Nutzen erweisen. 1916 erarbeitete er eine interessante Analyse zur Erscheinung des Imperialismus, welche auch nach mehr als hundert Jahren für die kommunistische Theorie wegweisend bleibt. Das Thema des Imperialismus ist in der Tat von unglaublicher Aktualität: es handelt sich um einen der Hauptwidersprüche der heutigen Gesellschaft, und daher ist es von grundlegender Bedeutung, im Imperialismus den Hauptfeind zu erkennen, dem entgegenzutreten ist, um zum Aufbau einer multipolaren Welt des Friedens zu schreiten, wie auch um einen realistischen Weg hin zum Sozialismus zu erreichen. Darüber hinaus ist es fundamental zu verstehen, worauf die Geopolitik beruht, um in der Lage zu sein, die aktuellen Ereignisse sorgfältig zu analysieren und um nicht Gefahr zu laufen, dass einem die Fehler unterlaufen, die oft von der liberalen Linken begangen werden, die die Wichtigkeit des Antiimperialismus scheinbar komplett vergessen hat. Diese linke Strömung tut allzu oft nichts anderes, als Massenbewegungen wie die jüngste in Hong Kong zu unterstützen, welche vom atlantischen Imperialismus benutzt werden, um souveräne und blockfreie Staaten zu destabilisieren, und Länder wie Venezuela zu kritisieren welche, auch wenn sie nicht perfekt sind, eine äusserst wichtige Rolle im Kampf gegen den Imperialismus einnehmen und infolgedessen von denen, die sich zu fortschrittlichen Idealen bekennen, nach Möglichkeit zu unterstützen wären.

Der Imperialismus wurde von Lenin als höchste Form des Kapitalismus definiert, der naturwüchsig auf die Realisierung eines immer höheren Profits setzt. Folglich drängt er, im Bestreben, immer mehr Kapital zu akkumulieren um den tendenziellen Fall der Profitrate wettzumachen, auf Ausdehnung der Produktionsskala und des Aussenhandels. Und damit kommt es zur Erscheinung des Imperialismus, der dem Kapitalismus selber vollständig innewohnt. Die Aggressivität des Imperialismus ist heute gut sichtbar, mit Fortsetzung der von der NATO primär zur Befriedigung der Interessen der Vereinigten Staaten vorangetriebenen Kriegen und Wendungen. Schon zu Lenins Lebzeiten war die Aggressivität des Imperialismus sinnbildlich: man denke nur an die Verbrechen der Westmächte in den Kolonien in Afrika und Lateinamerika, wie auch an den Ersten Weltkrieg, der eben das Theater des Zusammenstosses unter den imperialistischen Mächten zur Aufteilung der koloniale Ausbeute war. Um die eigenen Eroberungen und Aktionen zu rechtfertigen, konstruieren die imperialistischen Länder immer wieder Begründungen ad hoc. Zu Lenins Zeiten berief man sich oft auf die Überlegenheit des westlichen weissen Mannes, dem die Aufgabe obliege, die eigene Zivilisation in die als unterentwickelt geltenden Gesellschaften zu exportieren. Heutzutage wird dagegen eine Rhetorik der Menschenrechte oder des Exports von Demokratie (natürlich nur in ihrer bürgerlichen und liberalen Variante) bevorzugt, um in Ländern, die sich den atlantischen Interessen widersetzen, Regimes einzusetzen , die wir nicht müde werden, als «monströs» zu bezeichnen. Ein hervorragendes Beispiel in diesem Sinne bietet das oben erwähnte Venezuela, das buchstäblich von einem Tag auf den anderen, weil es das eigene Erdöl nationalisiert und eine Politik von “sozialistisch gefärbten” Reformen fortgesetzt hatte, von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten zu nicht mehr und nicht weniger als einer Diktatur definiert und schliesslich Opfer von fürchterlichen Sanktionen und terroristischen Attentaten nach offensichtlichem putschistischem Muster wurde. Auf gleiche Weise wurde die Ukraine in den Augen der westlichen Länder allein deswegen zur Diktatur, weil sie sich zu einer strategischen Orientierung nach Russland entschlossen hatte: die Regierung von Kiew – die zeitweilig die Unterstützung der örtlichen Kommunisten genossen hatte – wurde so zum Gegenstand einer Verleumdungskampagne (gestützt sogar auf die Tierrechte!), welche in den Augen der entsetzten öffentlichen Meinung die folgende Machtergreifung durch einen Staatsstreich von Seiten von erklärten neonazistischen, pro-westlichen und antirussischen Gruppen rechtfertigte. Solche Situationen wiederholen sich laufend, und deswegen ist es von grundlegender Bedeutung, genau zu erfassen, was der Imperialismus ist und welche Interessen er vertritt.

Um den Imperialismus zu erkennen, hat Lenin in seiner Analyse fünf grundlegende Merkmale identifiziert. Das erste bezieht sich auf die Konzentration des Kapitals, das heisst den Übergang von einer Phase des unternehmerischen Kapitalismus der Konkurrenz in eine monopolistische Phase, wo allein das Grosskapital durch Holdings, Trusts, usw. vorherrscht. Das zweite besteht in der Herausbildung des Finanzkapitals, das mittels der Kreditvergabe an die Industrien eine Aktienbeteiligung der Banken mit sich bringt (und so zur Verschmelzung von Banken und Industrie führt) und in der Herausbildung einer Finanzoligarchie. Das dritte Merkmal ist der Kapitalexport in die Länder der Peripherie, der sich vom Expansionsdrang des Kapitals und der Finanzmonopole sowie von der Knappheit an gewinnbringenden Absatzmärkten in den Ländern des entwickelten Kapitalismus ableitet. Das vierte besteht in der sowohl territorialen wie auch wirtschaftlichen Aufteilung der Welt unter den kapitalistischen Gruppen, sprich den oben erwähnten Monopolen. Das letzte Merkmal ist die regelrechte Aufteilung der Welt unter die imperialistischen Mächte, die oft zu grossen Spannungen und Kriegen führt. Die Präsenz im Ausland wird heute meistens von supranationalen Institutionen wie der NATO organisiert und sichergestellt, die aber faktisch als Herrschafts- und Plünderungsinstrument zu Gunsten der westlichen Grossmächte fungieren.

Diese von Lenin vor über hundert Jahren ermittelten Merkmale zu kennen, ist noch heute nützlich, denn sie liefern eine wissenschaftliche Untersuchungsmethode für ein Phänomen, das heute neuerdings an Aggressivität gewinnt. Sie dienen sowohl zum Erkennen der imperialistischen Länder, wie auch um nicht in Vorwürfe des «Imperialismus» gegen Länder wie China zu verfallen, dem oft vorgeworfen wird, es sei ebenso imperialistisch wie die Vereinigten Staaten. Und dennoch, was von Seiten Pekings hervortritt, ist eine Praxis ohne jedes Interesse an eigener Hegemonie: China begünstigt vielmehr den Aufbau einer multipolaren Welt, mittels Schaffung einer Alternative zum atlantischen Markt, welche auf gegenseitigem Respekt und Souveränität der verschiedenen Länder und auf der sogenannten «win-win»-Kooperation beruht und die neo-kolonialen Kräfteverhältnisse aus den Angeln hebt. Einer der Hauptkritikpunkte, die gegen China gebracht werden, betrifft dessen Vorgehen in Afrika. Und trotzdem gibt es das einen enormen Unterschied zu demjenigen der westlichen imperialistischen Länder. In der Tat, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und den afrikanischen Ländern basieren noch heute auf den Grundsätzen, die der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Jang Zemin, 1996 ausdrückte: gleiche Rechte, gegenseitiger Vorteil und Nichteinmischung in die jeweilige Politik. China hilft tatsächlich den afrikanischen Ländern bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, indem es ihnen zinslose Darlehen anbietet, die Schulden und gleichfalls die Importzölle auf Waren aus diesen Ländern streicht. Kurzum, das Gegenteil dessen, was die imperialistischen Länder getan haben und bis heute tun.

Lenin hat sich offensichtlich vielfach verdient gemacht. Man hätte leicht viele andere wertvolle Themen herausgreifen können, um seinen 150. Geburtstag zu würdigen, wie etwa die Wichtigkeit der Organisation oder Theorie der Partei des neuen Typus, höchstwichtige Elemente, die man nie vergessen darf. Über den Imperialismus nachzudenken ist dennoch nützlich, denn es ist auch heute entscheidend zu wissen, wie man die Welt deutet. Es ist wichtig zu verstehen, wieso einige Länder als “Diktaturen” etikettiert werden und wieso Wirtschaftssanktionen auferlegt werden: nicht um angeblicher humanitärer Ideale willen, sondern für besondere wirtschaftliche und geopolitische Interessen, die geeignet sind, die imperialistische Herrschaft zu konsolidieren. Dies muss uns zum Nachdenken bringen, vor allem in einer Periode wie dieser, in der die schädlichen und menschenfeindlichen Auswirkungen solcher Massnahmen noch offener zu Tage treten, dort wo wie in Iran oder in Venezuela, die Regierungen gerade wegen diesen Sanktionen Mühe haben, die eigenen am Coronavirus erkrankten Bürger zu heilen.

Original (ital.): Riconoscere l’imperialismo: l’attualità del pensiero di Lenin | sinistra.ch (22.04.2020) | Deutsche Übersetzung: kommunisten.ch (22.04.2020)



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