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Der Kapitalismus ist in Gefahr – und der Anti-Islamismus soll ihn retten

Von Leonardo Schmid

Seit mehreren Monaten steht in der Schweiz der Bau von Minaretten im Zentrum der politischen Debatte. So haben vor vier Wochen eineinhalb Millionen Schweizerinnen und Schweizer – jede und jeder mit ihren bzw. seinen «guten Gründen» – ja zu einem Verfassungsartikel gestimmt, der das Verbot des Baus von Minaretten bestimmt. Die wesentliche politische Kraft, welche diese Initiative unterstützt hat, ist die SVP. Wenn auch der Standpunkt dieser Formation lange vor der Abstimmung bekannt war, hat sich diesmal etwas geändert.

Man war sich bewusst, dass es sich bei der SVP um eine politische Kraft der extremen Rechten handelt, nationalistisch und fremdenfeindlich. Wir waren es gewohnt, dass sie jede «Überfremdung» ablehnt, weisse oder schwarze, europäische oder aussereuropäische, wirtschaftliche oder kulturelle. Ihre Argumention gründete immer auf den angeblich besonderen Werten der Schweizer, was doch immerhin nicht ganz klare Konturen hatte.

Eine neue Stufe der Diskriminierung

Was heisst es «Schweizer» zu sein? Die SVP verwendet schon lange mit System das weisse Kreuz auf rotem Grund, Willhelm Tell oder Alphörner für die Darstellung der Eidgenossenschaft. Die Ausländer anderseits wurden durch vielfältige Symbole dargestellt, zwar skandalisierend, aber ohne direkt und offen auf eine bestimmte Bevölkerung zu zielen. Wenn auf ein Plakat Raben, Schafe oder anonyme ausländische Hände gesetzt wurden, um den fremden Feind zu symbolisieren, ist das sicher problematisch, und das wurde von uns auch immer verurteilt. Aber es ist trotzdem eine andere Sache, wenn nun neuerdings auf eine bestimmte Gemeinschaft unsere Landes gezielt wird, in diesem Falle auf die Gemeinschaft der in unserem Land ansässigen Muslime. Mit der Erweiterung auf die gezielte Diskriminierung hat sich die Extremisierung der SVP-Politik um eine Stufe gesteigert. Die Muslime wurden zu Feinden der Nation erklärt, ohne dies mit einer ernsthaften Argumentation zu unterfüttern. So wurde die SVP zur offen anti-muslimischen Partei, was die eindeutige Diskriminierung eines Teils der schweizerischen Bevölkerung hervorruft, die zum islamischen Glauben übergetretenen Schweizerinnen und Schweizer inklusive. Diese Diskriminierung stellt ein Element dar, das sogar als Faschisierung der Politik dieser Partei bezeichnet werden könnte.

Islam als neues Feindbild der Vaterlandsverteidiger

Diese Praxis ist auf internationaler Ebene allerdings nicht neu. Die «Islamisierung des Abendlandes» ist zum neuen Feindbild geworden, das mit allen Mitteln bekämpft werden muss. George Bush und seine Entoruage haben sie erfunden, mit Unterstützung des europäischen Liberalismus, um die imperialistischen Kriege in Afghanistan und Irak zu rechtfertigen. Sie haben überall im Westen ein anti-islamisches Gefühl konstruiert. Ein willkommenes Geschenk für die Nationalisten und die Feinde der Aufklärung. Die Zustimmung zur Anti-Minarett-Initiative ruft der Frage, wie es möglich ist, dass eine Demokratie, wo das Volk der Souverän ist, mit der Diskriminierung einer religiösen Minderheit einverstanden ist. Diese Frage muss man sich stellen, mindestens jene, die sich bewusst sind, wie unter anderen Adolf Hitler an die Macht gekommen ist.

Die Abstimmung vom 28. November

Um die Abstimmung vom 28. November zu anlysieren, stellen wir einmal fest, dass eine Mehrheit des stimmenden Volkes einer Angst vis-Ã -vis einer kleinen Minderheit, die etwa 4 Prozent der Bevölkerung ausmacht, ausgedrückt hat. Diese simple Feststellung lässt weiter die Frage aufkommen, wieso mehr als eineinhalb Millionen stimmberechtigter Personen, deren Vertreter alle politischen Machtpositionen im Land einnehmen, ihrer Verunsicherung gegenüber dem Islam Ausdruck gegeben haben. Aber muss dieser Islam, in der Schweiz durch eine kleine, von allen Machtpositionen ausgeschlossenen Minderheit repräsentiert, wirklich Angst machen? Umso mehr als sich diese Minderheit hauptsächlich aus wenig praktizierenden und angepassten Migranten des Balkans und der Türkei zusammensetzt?

Unnötige Konflikte

Unter den Schweizern, die Nein gesagt haben zur Initiative – etwas mehr als eine Million – sind nur ein verschwindend kleiner Teil Muslime. Zu behaupten, die Initiativgegner seien Verteidiger des Islams ist falsch. Die Schweizerinnen und Schweizer, die sich der Initiative widersetzt haben – jede und jeder mit seiner persönlichen Meinung –, haben sicher beurteilt, dass es für das Land besser ist, wenn in der Verfassung nichts über Minarette geregelt wird. Das heisst noch lange nicht, dass sie überall den Bau von Minaretten bewilligen möchten. Es geht einfach darum, nicht unnötiger Weise Konflikte zwischen uns und den muslimischen Ländern heraufzubeschwören.

Wer hat Interesse an diesem Konflikt?

Betrachtet man die Situation von nahem, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass gewisse Kreise ein vitales Interesse an einem Konflikt zwischen dem Westen und dem Islam haben. Mit diesem Abstimmungsergebnis wurde ein solcher Konflikt genährt, ohne dass eine wirkliche Rechtfertigung dafür vorhanden wäre. Das einzige vorgegebene Argument ist die Angst vor einem Vordringen des Islams; ein Argument das keinerlei Sinn macht. Mit diesem Abstimmungsergebnis sind wir in eine Spirale des Hasses eingetreten, aus der es so rasch als möglich wieder zu entschwinden gilt. Die islamistischen Extremisten wie Al Kaida haben nun die Möglichkeit zu sagen, die Schweiz sei anti-islamisch. Das ist aus Sicht der nationalen Sicherheit nicht erbauend. Es ist verwunderlich, dass angebliche Vaterlandsverteidiger wie die SVP-Grössen diesen Aspekt ignorieren. Aber die Erklärung ist wahrscheinlich anderswo zu suchen. Es sind weder Allah noch der christliche Gottvater, die sich hinter diesen Machenschaften verbergen. Das hat nichts mit Theologie zu tun. Der Gott des Geldes, Pater Liberalismus und Bruder Krieg sind am Ursprung dessen, was nach einer autoritären Kursänderung eines kapitalistischen Systems aussieht, das sich in beträchtlichen Schwierigkeiten befindet.

Leonardo Schmid,
Zentralsekretär der Partei der Arbeit (PdA) der Schweiz

Quelle: PdA-Weblog (28.12.2009)


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