Stepan Bandera: Keine «Relativierung» des ukrainischen Nazi-Völkermörders!
von ANTOINE MANESSIS
Zunächst einmal eine Geschichte. Rassistischer, antisemitischer und antikommunistischer Nationalismus existiert seit der Behauptung einer ukrainischen Nation. Der Zweite Weltkrieg war die Zeit, in der diese nazistische Strömung am aktivsten war. Um Stepan Bandera herum kollaborierte sie mit den Nazis und beteiligte sich aktiv an deren Vernichtungskrieg, der gegen die Sowjetunion und die Juden geführt wurde.
«Heil Hitler! Heil Bandera! Lang lebe der Ukrainische Unabhängige Staat! Lang lebe unser Führer S. Bandera». Schloss Schowkwa (Westukraine) 1941.
Die Hitlerarmee wurde von der ukrainischen Rechten als Befreierin begrüsst. Die Bandaristen beteiligten sich am Völkermord, wie in Lwow, wo vom 30. Juni bis zum 5. Juli 1941 ein grosses Massaker an Tausenden von Kindern, Frauen und Männern stattfand, an dem die bandaristischen Milizen beteiligt waren. Der neu gegründete ukrainische Staat arbeitete eng mit den Nationalsozialisten unter der Führung von Führer Adolf Hitler zusammen. Erinnert sei an die Rolle der ukrainischen Milizen beim Massaker von Babi Yar («Shoa durch Kugeln»), bei dem 33 771 Menschen (Juden, sowjetische Kriegsgefangene, Kommunisten, Roma, Ukrainer und zivile Geiseln) von den Hitleristen und ihren ukrainischen Kollaborateuren ermordet wurden. Oder in dem totalen Krieg, der gegen die sowjetischen Partisanen geführt wurde. Oder von März 1943 bis Ende 1944, als Banderas ukrainische Aufstandsarmee mehrere Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung in Wolhynien und Ostgalizien verübte: Die Zahl der Toten belief sich auf 100 000, vor allem Kinder und Frauen. Die Beispiele liessen sich leider vervielfachen.
Bandera bildet die UPA (Ukrainische Aufständische Armee), deren rot-schwarze Fahne auf den Demonstrationen dieses Frühjahrs 2022 zur Unterstützung des «ukrainischen Widerstands» weht, was ein ernsthaftes Problem für die Organisatoren dieser Demonstrationen darstellen dürfte, deren Bezug zur Geschichte eher lose ist und denen Nazisymbole unbekannt zu sein scheinen. Krasse Ignoranz oder Komplizenschaft?
Nach der Vernichtung der Nazi-Kräfte durch die Rote Armee überlebt diese Strömung dank der Unterstützung des Westens, der den Nazi-Killer Bandera, der in der Schweiz und in Deutschland untergetaucht ist, beschützt. Er organisierte den Kampf gegen die UdSSR in der Ukraine (Morde, Sabotage) bis in die 1954er Jahre mit der (diskreten) Unterstützung des britischen und US-amerikanischen, aber auch des deutschen Geheimdienstes (DNB), der vom Nazi-General Reinhard Gehlen geleitet wurde. Bandera wird schliesslich 1959 von einem sowjetischen Agenten hingerichtet.
Erst nach dem Zusammenbruch der UdSSR kehrte der ukrainische Neonazi-Nationalismus auf die politische Bühne zurück. Alle rechten Kräfte, Viktor Juschtschenko oder Petro Porotschenko und alle rechtsextremen Gruppen, versuchen, die Nazi-Mörder und ihren Anführer Bandera zu rehabilitieren. Der Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, erklärt, dass diese Kampagnen zur Rehabilitierung der ukrainischen Nazis «nur dazu dienen, die Rolle der lokalen Nazi-Kollaborateure bei den Verbrechen des Holocaust zu verbergen oder herunterzuspielen, das Märchen von der Gleichwertigkeit der Verbrechen der Nazis und der Kommunisten zu fördern und die antikommunistischen Widerstandskämpfer zu verherrlichen […], die lokale Nazi-Kollaborateure waren, die an den Verbrechen der Shoa beteiligt waren». Eine klare und ehrliche Sprache.
Ehrung in der Juschtschenko-Aera: ukrainische Gedenk-Briefmarke zum 100. Banderas
Seit dem Maidan stellt die extreme Rechte die Stosstrupps für die Offensive der Nato und der EU in der Ukraine. Human Rights Watch, Amnesty International oder das französische Amt für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen (Ofpra) haben die Praxis der Folter, die willkürliche Inhaftierung, die Misshandlungen und die Vergewaltigungen angeprangert, die mehrere militärische Gruppen, darunter das Regiment Asow, belasten. Das Emblem von Asow, der umgekehrte «Wolfsangel», der einst das Emblem der 2. SS-Panzerdivision «Das Reich» war, prangt auf ukrainischen Bannern und Spalieren.
Die ukrainische extreme Rechte hat zwar kein Massenpublikum bei Wahlen, aber sie ist in vielerlei Hinsicht einflussreich: Die ukrainischen Gedenkgesetze von 2015 stellen Symbole des Dritten Reichs und der Nazi-Ideologie zwar ebenso unter Strafe wie solche des Kommunismus der Sowjetzeit. Die Banden greifen trotzdem unbehelligt Homosexuelle, in der Ukraine lebende Ausländer, russische Interessen (seit Jahren), Gewerkschaftsaktivisten sowie die russischsprachige und russophile Bevölkerung im Osten des Landes an. Die Faschisten sind auch der bewaffnete Arm der ukrainischen Oligarchen nach Art des faschistischen Squadrismus in den 1920er Jahren in Italien. Bewaffnet und gewalttätig arbeiten sie in Osmose mit dem ukrainischen Staat, der Armee und der Polizei.
Es ist unannehmbar, dass hierzulande unter dem Vorwand, Putins Aggression zu verurteilen, unter den Fahnen der ukrainischen Nazis, die zusammen mit den Deutschen über eine Million ukrainische Juden und sechs Millionen ukrainische Antifaschisten, Patrioten und Kommunisten ausrotteten, demonstriert wird.
Ein letztes Wort zu einem der Propagandathemen, die von unseren im Kriegsmodus stehenden Medien aufgegriffen werden: Die Hungersnot in der Ukraine 1932 bis 1933, die als «Holodomor» bezeichnet wurde, sei «ein Völkermord», «ein vorsätzlicher Terrorakt des stalinistischen Systems». Das Absurde an dieser Argumentation ist, dass das Aushungern und Töten von Millionen von Ukrainern auf eine Absicht der sowjetischen Führung zurückzuführen sei, der man viel vorwerfen kann, aber ganz sicher nicht, dass sie irrational war. Ein besonders tragischer Moment der Kollektivierung und der damit einhergehenden Repression, sicherlich. Die übrigens auch unter Russen, Ukrainern und vielen anderen Nationalitäten in der UdSSR Tote forderte. Es sei daran erinnert, dass die Kollektivierung die Voraussetzungen für die Industrialisierung der Sowjetunion und damit für die Niederlage Hitlers geschaffen hat. Wer die Widersprüche der Geschichte nicht mag, kann sich immer noch Schneewittchen ansehen.
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Antoine Manessis in NBH – pour un nouveau bloc historique am 23. März 2022