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Eine Demonstrantin hält am Dienstag vor einem Hotel in Taipeh ein Banner «Amerikaner raus!». Chiang Ying-ying

Vor den Präsidentschaftswahlen auf Taiwan: nur ein Viertel wünscht sich Unabhängigkeit

Am 13. Januar wählt das taiwanesische Volk, offiziell als Republik China (ROC) bezeichnet, einen neuen Präsidenten und eine neue Einkammer-Legislative, die als Legislative Yuan bekannt ist. Vom Wahlergebnis hängt die Frage der künftigen Politik Taiwans gegenüber dem Festland, der Volksrepublik China (VR China), ab. Diese Politik wird tiefgreifende Auswirkungen auf Ostasien – und die Welt – haben.

Von JOHN V. WALSH

Die grösste Bedrohung für den Frieden in der Region wäre ein Schritt Taiwans, der mit der Ein-China-Politik bräche und die Unabhängigkeit vom Festland zu erklärte. Die Politik der VR China besteht darin, sich irgendwann in der Zukunft mit friedlichen Mitteln mit Taiwan zu vereinigen – vorbehältlich einer formellen Unabhängigkeitserklärung Taiwans, die durchaus zu einer kriegerischen Auseinandersetzung führen könnte.

Die Meinungen auf Taiwan bezüglich Abspaltung vom Festland

Wie denken die Menschen in Taiwan über eine Sezession im Vergleich zum Status quo? In einer Umfrage der Wahlstudie der taiwanesischen National Chengchi-Universität im Jahr 2023 gaben 32,1% an, dass sie es vorziehen, «den Status quo auf unbestimmte Zeit beizubehalten» (die grösste Kategorie); 28,6% wählten den Status quo, um «[Taiwans Schicksal] zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden» (die zweitgrösste Kategorie); 21,4% entschieden sich für den Status quo mit dem Ziel, «in Richtung Unabhängigkeit zu gehen» und 6,0% für den Status quo mit dem Ziel, «zur Vereinigung überzugehen». Insgesamt 88,1% befürworten vorerst den Status quo, und 60,7% (die beiden obersten Kategorien) wollen den Status quo ohne spezifisches Ziel für die Zukunft beibehalten!

Dagegen wollen nur 1,6% «Vereinigung so schnell wie möglich» und nur 4,5% «Unabhängigkeit so schnell wie möglich». In dieser Frage haben die USA es verfehlt, die Herzen und Köpfe der Taiwaner zu gewinnen.

Wie hat sich die Präsidentschaftswahl bisher entwickelt?

Die drei Hauptparteien, die um die Präsidentschaft kämpfen, sind die Demokratische Fortschrittspartei (DPP), die Kuomintang (KMT) und die relativ neue Taiwanesische Volkspartei (TPP). Die Präsidentschaftskandidaten sind William Lai (DPP), Hou Yu-ih (KMT) und Ko Wen-je (TPP). Während der den USA sehr nahe stehende Führer der DPP auf Unabhängigkeit aus und der VR China feindlich gesinnt ist, zeigen die anderen beiden Verständnis für das Festland und versuchen den Status quo zu bewahren.

Was sagen die Umfragen über die Wahl? Die DPP ist jetzt der Spitzenreiter, aber mit sinkendem Abstand. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage am 2. Januar ergab, dass Lai von DPP 38,9%, Hou von KMT 35,8% und Ko von TPP 22,4% beträgt. Die kombinierte Stimmenstärke für die festlandfreundlichen Parteien, die KMT und die TPP, betrug 58,2%. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte.

Im taiwanesischen Wahlsystem reicht eine relative Mehrheit für den Sieg. Folglich könnte infolge der Spaltung der Opposition zwischen KMT und TPP die an der Spitze stehende DPP gewinnen. Dennoch dürfte die Opposition problemlos über eine Mehrheit im Legislative Yuan verfügen und die DPP politisch ausbremsen können.

Meinungen zu einer US-Intervention in einem bewaffneten Konflikt um Taiwan

In Bezug auf die amerikanische Meinung zu einem möglichen bewaffneten Konflikt in Taiwan sagt uns die jüngste Umfrage des Chicago Council on Foreign Affairs: «Wie in früheren Umfragen lehnt eine Mehrheit der Amerikaner (56%) die Entsendung von US-Truppen nach Taiwan ab, um der taiwanesischen Regierung zu helfen …»

Dieser Prozentsatz würde sicherlich steigen, wenn sich ein allfälliger Krieg hinzöge, wie es beim Stellvertreterkrieg in der Ukraine der Fall ist. Die Stimmung gegen mehr Mittel für die Ukraine wächst im Kongress, insbesondere bei den Republikanern, was die wachsende antiinterventionistische Stimmung in ihrer Basis widerspiegelt.

Wie steht die US-amerikanische politische Klasse zur Frage Ausländer, die für die Ziele der USA sterben? Hier die vielzitierten Worte des Minderheitsführers des US-Senats, Mitch McConnell: «In der Ukraine werden keine Amerikaner getötet. Wir bauen unsere industrielle Basis wieder auf [für die Herstellung von Waffen, jw]. Die Ukrainer zerstören die Armee eines unserer grössten Rivalen. Es fällt mir schwer, daran etwas Falsches zu finden.» Er erwähnt nicht die Hunderttausenden Ukrainer, die geopfert werden, um Russland zu «schwächen», um den Ausdruck des US-Verteidigungsministers zu verwenden. Diese Missachtung des menschlichen Lebens ist extrem grausam und barbarisch.

Ein US-Anti-China-Stellvertreterkrieg in Taiwan – «Amerikanische Kugeln, taiwanesisches Blut»

Wie in der Ukraine würde ein Stellvertreterkrieg in Taiwan mit «unseren Kugeln, ihrem Blut» geführt, um es mit den Worten eines Oliver North zu sagen. Tatsächlich hat die DPP bereits einen entscheidenden Schritt in die Richtung getan, junge Taiwaner zu US-Kanonenfutter zu machen, indem sie die Wehrpflicht ab 2024 von 4 Monaten auf ein Jahr verlängert hat. Das ist der «Blut»-Teil.

Was den Teil «Kugeln» betrifft, so hat Taiwan seit 1979 Waffen in Milliardenhöhe von den USA gekauft. Vor kurzem hat die Biden-Regierung begonnen, Taiwan Waffen zu geben, was bedeutet, dass amerikanische Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Das kommt zu den enormen Ausgaben für US-Stützpunkte, Marineübungen und «Freedom of Navigation»-Manövern hinzu. Wenn Kämpfe ausbrechen und die Ausgaben steigen, wie lange dauert es, bis US-Amerika müde wird zu zahlen und aussteigen will? Immerhin sind die USA auf der anderen Seite des riesigen Pazifiks in Sicherheit.

Der grundlegende Plan der USA scheint darin zu bestehen, die VR China zu militärischen Aktionen zu provozieren, um ihren Ruf in den Augen ihrer Nachbarn zu schädigen, diese zu ermutigen, ihr Militär aufzubauen und sich US-geführten antichinesischen Allianzen anzuschliessen. Wenn das nicht geschieht, werden die USA nicht vor einer Operation unter falscher Flagge oder einer völligen Erfindung zurückschrecken. Man denke nur an den fiktiven Zwischenfall im Golf von Tonkin, mit dem die Zustimmung des Kongresses für den Vietnamkrieg gewonnen wurde, der Millionen von Menschenleben gekostet hat.

Am 13. Januar können die Menschen in Taiwan einen grossen Schritt in eine friedliche Zukunft machen. Wenn sie für eine Regierung stimmen, die nicht der kriegerischen US-Aussenpolitik verfallen ist, werden auch in US-Amerika viele dankbar sein. Und vielleicht wird das auch in den USA viele dazu inspirieren, mehr Anti-Interventionisten zu wählen.
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Der Text wurde aus Populaire Resistance übernommen, wo er am 8. Januar 2024 erschienen ist. Übersetzt mit Hilfe von Yandex Translator.