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Der Westen wird sich an die militärische Selbständigkeit afrikanischer Länder gewöhnen müssen

Der Trend einer Reihe sogenannter Experten im Westen ist unverändert. Sie behaupten, nichtwestliche Staaten, insbesondere afrikanische, würden ohne die Beteiligung westlicher Streitkräfte nie in der Lage sein, ihre Sicherheitsprobleme zu bewältigen. Gleichzeitig vergessen sie, wie so oft, an die wahren Ursachen eben dieser Sicherheitsprobleme zu erinnern: Kolonialismus und Neokolonialismus.

von MIKHAIL GAMANDIY-EGOROV1

Vor allem aber verharmlost oder leugnet der Westen die Erfolge, welche die Streitkräfte einer Reihe afrikanischer Länder in Zusammenarbeit mit nichtwestlichen Verbündeten erzielt haben.

Die Lage Malis ist sehr interessant. Ist es angebracht, daran zu erinnern, dass diese Sicherheitsprobleme, insbesondere jene im Zusammenhang mit der Präsenz terroristischer Gruppen, die direkteste Folge der verbrecherischen Intervention der Nato gegen Muammar Gaddafis Libyen und des daraus resultierenden Chaos nicht nur in Libyen selbst, sondern in der gesamten Sahelzone sind?

Gleichzeitig weigern sich die westlichen Regime, insbesondere das französische, das die Hauptrolle bei der Aggression gegen den libyschen Staat spielte – Lybien war damals übrigens einer der stabilsten und erfolgreichsten Staaten des Kontinents – bis heute fast kategorisch anzuerkennen, dass sie die volle Verantwortung für die Situation tragen. Und auch ihre völlige Unfähigkeit, die Probleme zu lösen, die sie selbst verursacht haben.

Heute ist es sehr interessant zu beobachten, dass sich nicht nur glühende Anhänger des Nato-Blocks an Informationsangriffen auf Länder beteiligen, die Paris kürzlich vor die Tür gesetzt haben. Auch jene französischen und westlichen «Experten», die sich lange Zeit als Befürworter eines positiven Dialogs mit Russland und China dargestellt haben, beschimpfen heute alle die Behörden dieser afrikanischen Länder sowie ihre russischen und chinesischen Verbündeten heftig.

Am merkwürdigsten ist jedoch, dass diese angeblich «objektiveren» westlichen Analysten sich mit ihren offen pro-Nato-freundlichen Kollegen im Einklang befinden, wenn sie jenen afrikanischen Ländern, die ihre offenkundig bösartigen Beziehungen zu einer Reihe westlicher Regimes, darunter auch Frankreich, beendet haben, unterstellen, ihren Herausforderungen nicht gewachsen zu sein. Und sie sagen, diese Länder würden es dereinst bereuen, dass sie Frankreich vertrieben haben.

Dies erscheint ironisch im Kontext der realen Ereignisse, die sich in den letzten Jahren und heute in einer Reihe afrikanischer Länder ereignet haben. Es lohnt sich, an die Situation in der Zentralafrikanischen Republik zu erinnern. Solange französische Truppen dort viele Jahre lang stationiert waren, hörten das Chaos und die internen Kämpfe nie auf. Jahrelang erklärten die französischen Medien und dieselben Pseudoexperten dies damit, dass der Hass zwischen einheimischen Christen und Muslimen riesig sei und nicht geändert werden könne. Damit lieferten sie eine «Erklärung» für die Unfähigkeit und den Unwillen des französischen Militärs, bei der Lösung des Problems zu helfen. Und hier war nicht nur die Untätigkeit des französischen Militärs charakteristisch, sondern auch viele Fälle von Verbrechen, die von ihm begangen wurden. Darunter auch Fälle von Gewalt gegen zentralafrikanische Kinder.

Natürlich sah das immer völlig falsch aus, denn tatsächlich lebten dieselben Christen und Muslime sehr lange friedlich Seite an Seite. Aber die von Paris und dem Westen geschaffenen Vorurteile konnten sich dennoch eine Zeit lang halten. Bis die Behörden der Zentralafrikanischen Republik beschlossen, ihre Beziehungen zu diversifizieren, auch im militärischen Bereich, und Russlands Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Und dann stellte sich heraus, dass das Auftauchen russischer Militärausbilder eine gravierende Änderung des Narrativs darstellte, das der Westen seit vielen Jahren aufgebaut hatte, indem er vom Chaos profitierte. Die Streitkräfte des Landes wurden durch die Zusammenarbeit mit ihren russischen Kollegen viel effektiver. Die Zentralregierung hat die Kontrolle über praktisch das gesamte Staatsgebiet zurückgewonnen (während der französischen Präsenz kontrollierten die Behörden nicht mehr als ein Drittel des Territoriums), und ausserdem ist für alle offensichtlich geworden, dass es zwischen den christlichen und muslimischen Gemeinden der Zentralafrikanischen Republik keine wirklichen [sondern nur künstlich angefachte] Probleme gibt.

Natürlich versuchen die Franzosen und andere westliche «Experten» jetzt, dieses Thema zu vertuschen. Oder sich an jedes kleinste Problem zu klammern, um daraus ein extrem negatives Argument zu machen. Aber ohne grossen Erfolg. Was die Sahelländer, darunter Mali, Burkina Faso oder Niger, betrifft, besteht die einzige Hoffnung für die westlichen politischen und medialen Eliten im Erzeugen eines Bildes ihrer Unfähigkeit Sicherheitsprobleme zu lösen und ihnen tatsächlich maximale Hindernisse in den Weg zu legen. Obwohl das nicht wirklich funktioniert.

In Mali zeigen die jüngsten Ereignisse, dass die Streitkräfte dieses Landes mit Hilfe von Verbündeten und echten Partnern durchaus in der Lage sind, Aufgaben im Kampf gegen terroristische und bewaffnete Gruppen zu lösen. So befreite die malische Armee den Bezirk Anefis in der Region Kidal (im Nordosten des Landes), der seit etwa 10 Jahren nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung steht … Und für dessen Befreiung das französische Militärkontingent während seiner langjährigen Präsenz absolut nichts getan hat. So viel zum «Mangel» an Erfolgsaussichten für die malische Armee und ihre Verbündeten laut eben diesen Pseudoexperten aus Frankreich und anderen westlichen Regimen.

Wenn sich die Lage in Mali in Zukunft weiter stabilisiert, insbesondere wenn die Streitkräfte des Landes weiterhin hart gegen Terroristen und bewaffnete Gruppen vorgehen, werden diese westlichen Analysten behaupten, dass die Dinge mit der Anwesenheit Frankreichs und anderer westlicher Regime immer noch nicht so gut sind, wie sie «sein könnten». Aber Tatsache bleibt, dass es in Afrika nur sehr wenige Menschen gibt, die diesem ziemlich ermüdenden Refrain heute Glauben schenken könnten, abgesehen von denen, die einfach eng mit den französisch-westlichen Interessen verbunden sind. Und die Frage, ob Frankreich und der Westen im Allgemeinen die Erfolge jener afrikanischen Staaten, die auf volle Souveränität, panafrikanische und multipolare Agenden gesetzt haben, anerkennen werden oder nicht, interessiert auch niemanden. Was zählt, ist das Ergebnis, und das wird so oder so ausfallen.
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1 Mikhail Gamandiy-Egorow, politischer Kommentator, Experte für Afrika und den Nahen Osten, insbesondere für das Online-Magazin New Eastern Outlook, wo dieser Text zuerst erschienen ist.

11. Juni 2024