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Russophobie am Film-Festival von Locarno?


von Massimiliano Ay, Politischer Sekretär der Kommunistischen Partei der Italienischen Schweiz


Wie ich vernehme, steht Marco Solari auf Kriegsfuss. Dort ist er – um die Wahrheit auszusprechen – schon seit einigen Jahren: seine Eröffnungreden zum Film-Festival von Locarno erscheinen in der Tat eher wie Appelle an die Generalmobilmachung zur Verteidigung des Vaterlandes. Wie dem auch sei, heute hat sich der kinematographische Paradepräsident Moskau vorgenommen: er will tatsächlich nicht akzeptieren, dass die Russen von Gosfilmofond – des grössten (öffentlichen) Kinoarchivs der Welt – über einen künstlerischen Raum im Rahmen der locarneser Vorstellungen verfügen können. Da fragte es sich, ob dieselbe Strenge auch an den Tag gelegt würde, wenn die USA im Spiele wären … so oder so: das “revival” des kalten Krieges scheint in voller Entfaltung zu sein.

Die Gosfilmofond hat vor zwei Wochen – auch dank der vom Kulturzentrum “Il Rivellino” geleisteten Vorarbeiten – einen Vertrag mit der Stadt Locarno abgeschlossen, um an die Finanzierung des (umstrittenen) Palacinema beizutragen. Eine Bereitschaft, welche der Direktor des Moskauer Institutes, Nikolaj Borodaschew, bereits im vergangenen Sommer den Stadtbehörden (mit Schreiben vom 9. August 2013) zum Ausdruck gebracht hatte. Heute, vielleicht auch in Folge des (mehr als berechtigten) Skeptizismus einiger Randgemeinden betreffend der Finanzierung des Vorhabens, konkretisiert sich die Zusammenarbeit mit den Russen.

“Man braucht das Sponsoring nicht mit Inhalten zu vermischen”, behauptet Solari hartnäckig. Und wir könnten alle einverstanden sein, nur dass die Russen nichts verlangt haben: aus Moskau traf bloss der Vorschlag ein, einige Filme aus ihren Archiven nach Locarno zu bringen, auch auf die Piazza Grande (open air), darunter auch im Westen unauffindbare und noch nie vorgeführte Filme, und natürlich war dabei die vorgeschlagene Werkauswahl unverbindlich.

Wenn mir dabei eine fussballerische Metapher einfällt (schliesslich ist gerade die passende Zeit dazu), dann der Vergleich dieser Situation mit einer Fussballmannschaft, die sich empört weigern würde, die besten Spieler der Welt ausgeliehen zu bekommen, es sei denn, zu unvorteilhaften Bedingungen. Das Ergebnis wäre zumindest unverständlich, vor allem für jene, die unser Festival ernsthaft (das heisst am inhaltlichen Mehrwert arbeitend) aufwerten wollen. Solari meint dagegen, es handle sich um Einmischung. Aber seit wann ist das Offerieren von Filmen eine Einmischung? Dies ist so, seit Gosfilmofond (die Kinemathek ist auch Partner der Cinémathèque Suisse) ihnen in den Weg getreten ist und in gewisser Weise zum Hindernis für ihre künstlerische Leitung geworden ist. Ich finde die Vorwürfe von Solari schwerwiegend und, frei heraus gesagt, peinlich!

Die wahren Einmischungen sind die im Dunklen, die bei allen Kino-Festivals der Welt existieren, wo Filme mit geringem Wert oder sogar die gröbsten Geschichtsfälschungen präsentiert werden, die dessen ungeachtet verbreitet werden, weil sie von Sponsoren aufgezwungen werden (seien es kommerzielle oder politische), und wo die Vertreter der besagten Interessengruppen als Gäste geladen werden. Was Gosfimofond in Locarno tut, ist hingegen eine korrekte und transparente Handlungsweise, die unser Filmfestival noch besser und reicher gemacht hätte.

Quelle: LaRegioneTicino del 3 luglio 2014. Siehe auch online: Russofobia al Festival di Locarno? (Persönlicher Blog des Autors, 05.07.2014) | Übersetzung: kommunisten.ch (05.07.2014)


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