Die Antirassismusnorm ist zu revidieren, um sie wirksamer zu machen und Freiheit von Forschung und Lehre zu garantieren
Resolution der Leitung der Kommunistischen Partei (Schweiz) vom 24.Oktober 2015
Kürzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Verurteilung der Schweiz wegen Verletzung der Meinungsfreiheit des türkischen Politikers Dogu Perinçek bestätigt, der in unserem Lande nach Artikel 261bis des Strafgesetzbuches (StGB) wegen Leugnung des armenischen Genozids verurteilt worden war. Diese Norm verbietet die Rassendiskriminierung und die Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es bedarf allerdings einiger Aufräumarbeit um besser zu verstehen, wie man aus dieser “Krise” herausfindet: eine erste Bemerkung geht die Person von Perinçek an, die andere betrifft die fragliche Gesetzesbestimmung. In beiden Fällen besteht eine grosse Konfusion, und die Kommunistische Partei hält einige Klarstellungen für unerlässlich und geht davon aus, dass sie dazu in der Lage ist, da sie seit Jahren in Beziehungen zur von Perinçek geführten Partei steht und bei ihm in Istanbul zu Gast war.
- Perincek mit den Schweizer Genossen Massimiliano Ay und Amos Speranza
Perinçek ist kein Rassist: er ist Marxist!
Dogu Perinçek das Etikett des “Ultranationalisten” und “Rassisten” anzuhängen, ist ein Fehler. Perinçek ist tatsächlich eine der historischen Figuren der türkischen revolutionären Linken maoistischer Provenienz. Seine These ist nicht die Rassenüberlegenheit oder Diskriminierung von Minderheiten: im Gegenteil, im Programm seiner Partei steht die Einheit und Brüderlichkeit aller Ethnien, die auf dem Territorium der Republik der Türkei leben. Für seinen Einsatz für Demokratie, Laizismus und Sozialismus hat Perinçek (zuerst auf Befehl der Militärs und dann der Islamisten) mehrere Jahre im Kerker zugebracht. Führer zuerst der Arbeiter- und Bauernpartei der Türkei (TIKP) und dann der Sozialistischen Partei (SP) – beide von der Regierung in Ankara in verschiedenen Epochen verboten – steht Perinçek gegenwärtig an der Spitze der “Vatan”-Partei, welche patriotische Kemalisten und Kommunisten in einer anti-imperialistischen Optik vereinigt. Perinçek ist Doktor der Rechte und historischer Forscher: mittels Analyse der sowjetischen Archive hat er Dokumente zu Tage befördert, welche die Existenz des armenischen Genozids widerlegen sollen, den er als “eine Lüge des Imperialismus” definiert hat, welche die Türkei demütige und sie – neben der ökonomischen – sogar der kulturellen euro-atlantischen Herrschaft unterwerfe. Es sei klargestellt, dass Perinçek keine rassistischen Erwägungen gegen das armenische Volk geäussert und auch nicht abgestritten hat, dass es Tote unter Armeniern, Kurden und Türken gegeben hat, im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg, der kolonialen Invasion auf dem Hoheitsgebiet des zerfallenden Osmanischen Reiches und der Politik der “Umsiedelung” von Ethnien: er weigert sich hingegen, sein Land zu beschuldigen, dass es wissentlich eine methodische Ausrottung der Masse eines ganzen Volkes programmiert und in Gang gesetzt habe. Aus seiner Sicht hat der EGMR anerkannt, dass Perinçeks Äusserungen nicht mit einem Appell zum Hass gegen die Armenier gleichzustellen sind, und dass die Schweiz ihn folglich nur deswegen bestrafen wollte, weil er eine (in der Tat von historischer Dokumentation gestützte) Meinung vertrat, die von der gängigen Meinung in der Schweiz abweicht.
Nein zum Rassismus, Ja zur Freiheit der Forschung!
Die sogenannte Antirassismus-Norm des schweizerischen Strafgesetzbuches ist 1995 in Kraft getreten und bestraft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe jeden, der “öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer “Rasse, Ethnie oder Religion” zu “Hass oder Diskriminierung” aufruft; wie auch denjenigen, der “Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind”. Alldies trifft nicht auf den Fall von Perinçek zu, dem “nur” vorgeworfen wird, gegen den Absatz 4 verstossen zu haben, der die Bestrafung dessen vorsieht, der “Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht”:
Die Kommunistische Partei ist selbstverständlich für ein Gesetz, das die diskriminatorischen, fremdenfeindlichen und rassistischen Verhalten bestraft, vertritt aber die Auffassung, dass man die Anwendung einer solchen Bestimmung nicht auf Forscher und Historiker ausweiten kann, welche nach Jahren wissenschaftlicher Archivforschung neue Informationen ans Tageslicht holen, die zu einer unterschiedlichen Sichtweise auf die Geschehnisse beitragen. Überdies bestreiten wir, dass es Sache des Parlaments sei zu definieren, was Genozid war und was nicht, anstatt – wie es jedoch sein müsste – einer internationalen Kommission von unabhängigen Historikern mit repräsentativer Beteiligung aller an der Sache beteiligten Parteien. Die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre darf nicht von der Politik eingegrenzt werden: jedenfalls nicht in einer Demokratie! Wir hoffen deshalb, dass Artikel 261bis StGB im Lichte des EGMR-Urteils revidiert wird, und dass die Bürger (Studenten, Lehrer, Politiker), die in diesen Jahren wegen Meinungsäusserungen auf der Linie der Forschungsergebnisse von Perniçek verurteilt worden sind, rehabilitiert werden.
Kommunistische Partei (Schweiz)
Bellinzona, 24.Oktober 2015