Smartvote-Abstinenz von PdA-Kandidierenden
Pressecommuniqué der PdA Bern 15.03.2006 zu den Grossratswahlen 2006:
Viele PdA-Kandidierende sind an ihrem letzten Treffen zum Schluss gekommen, dass sie sich an der smartevote-Umfrage nicht beteiligen werden. Angesichts der Vielzahl der Probleme in Konzept und Umsetzung trauen sie der objektiven Aussagekraft der Auswertungen zu wenig.
Der Fragebogen nährt und zementiert streckenweise bestimmte Vorurteile. Durch eine verzerrte Modellierung und durch abwegige Fragestellungen wird den Wählenden ein unzutreffendes Bild der politischen Landkarte vermittelt. Den politisch unkundigen aber interessierten smartvote-BenützerInnen wird statt Klarheit eher Trübheit im Bewusstsein verschafft. Ihnen wird eine Nähe des eigenen Standpunkts zu den Positionen der neoliberalen politischen Kräfte vorgegaukelt.
Unzulänglichkeit des Konzepts: Besonders problematisch ist die Konstruktion einer Teilachse unter dem Titel “Öffnung”: Wer die demokratischen Errungenschaften der Landesgeschichte gegen Schmälerungen durch internationale Vorschriften verteidigt, gilt damit als “Verschlossener”; ebenso wer die Errungenschaften der Lohnabhängigen gegen Maastricht-Haushaltsrichtlinien und Bolkestein verteidigt und wer nicht will, dass sich die Schweiz an der imperialistischen Unterdrückung durch die NATO beteiligt. Sie alle werden damit als Ewiggestrige in die rechte Ecke gestellt.
Fragwürdiger Fragebogen: Der smartvote-Fragekatalog ist im Detail bespickt mit unsachlichen, tendenziösen Formulierungen und Suggestivfragen. Hier nur zwei Beispiele:
Regionalpolitik: “2. Finden Sie es richtig, wenn im Rahmen von Restrukturierungs- und Sparmassnahmen auch weitere Regionalspitäler geschlossen werden?”. Tendenziös ist der Verweis auf einen “Rahmen”, der “auch” diese Angelegenheit als eine Frage des Sparens darstellt. Damit stellen sich die Autoren des Fragebogens einmal mehr auf den Standpunkt der Regierenden und suggerieren dem Laien, dass die Schliessung von öffentlichen Spitälern Einsparungen zur Folge haben würde. Nach aller Erfahrung wissen wir doch, dass das Gegenteil der Fall ist.
Sozial- und Familienpolitik: “2. Befürworten Sie eine Kürzung der Leistungen, um die Arbeitslosenversicherung (ALV) sicherzustellen?”. Es fällt auf, dass die schlichte Sachfrage in tendenziöser Weise erweitert wird durch eine Sinngebung für den Fall der Bejahung: auch innerhalb des smartvote-Fragenkatalogs ein einmaliges Vorgehen. Abgesehen davon entbehrt der unterstellte Zusammenhang zwischen Leistungskürzung und Sicherstellung der ALV jeder sachlichen Grundlage.
Zur Kritik der bürgerlichen Forschung: Leider sind dies keine Einzelfälle, daher werfen wir den Autoren von Konzept und Fragebogen keine Manipulationsabsichten vor. Unser Vorwurf lautet: Sie sind vom System (bürgerlicher Universitätsbetrieb) befangen. Statt allseitig an alle Fragestellungen heranzugehen, richten die bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften (Soziologie, Politologie usw.) ihr Hauptaugenmerk einseitig auf das messbare “Verhalten” von einzelnen Menschen oder von “Gruppen” und “Schichten”, die je nach Bedarf mittels dieser oder jener Kombination von Merkmalen definiert werden. Es ist im universitären Forschungsbereich
üblich, weit reichende Schlüsse aus der Übereinstimmung von Verhaltensmustern zu ziehen und dabei zu vergessen, dass das Verhalten nur die Oberfläche betrifft, wogegen die Ursachen und Zusammenhänge in ihrer Tiefe untersucht werden müssen. Das politische Bewusstsein bildet ein Ganzes, dessen Studium sich nicht durch Messung der statistischen Zusammenhänge zwischen materieller Umwelt (Reize) und Verhalten (Reaktionen) ersetzen lässt.
Ausführlichere Begründung in: nixBravDa (Nr. 1/2006)