Erklärung der KPÖ Steiermark zum 70. Jahrestag der Okkupation:
KommunistInnen für ein freies, neutrales und unabhängiges Österreich!
In der Nacht zum 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Unsere Heimat wurde von der Landkarte gelöscht. Sieben Jahre grausamer, faschistischer Diktatur und Fremdherrschaft folgten. Zehntausende Juden, Sinti und Roma, Angehörige von Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, Schwule und Lesben und Mitglieder verschiedener Religionsgemeinschaften wurden inhaftiert, gefoltert und im KZ umgebracht. Zu den ersten Opfern gehörten die Vertreterinnen und Vertreter der organisierten Arbeiterbewegung. Diese waren bereits unter dem austrofaschistischen Dollfuss-Schuschnigg-Regime schwersten Verfolgungen und Verboten ausgesetzt, unter den neuen Machthabern wurde die Repression verschärft!
Eine bittere Vorgeschichte
Die Katastrophe des März 1938 hatte eine Vorgeschichte. Die 1918 im Zuge der revolutionären Umwälzungen erkämpften demokratischen und sozialen Erungenschaften wurden bereits in den Jahren vor 1938 sukzessive von einer wiedererstarkten österreichischen Bourgeosie zurückgedrängt. Breite Kreise ihrer Vertreter blieben in der Haltung zu Österreich gespalten und sahen im aufkommenden deutschen Faschismus und seinem Financier, dem deutschen Finanzkapital, einen Verbündeten gegen die demokratischen und sozialen Forderungen der österreichischen Arbeiterbewegung. So wurden 1933 die KPÖ verboten und das Parlament aufgelöst, ein Jahr darauf provozierten Heimwehr und Regierung einen Bürgerkrieg in deren Folge zum vernichtenden Schlag gegen die Sozialdemokratie ausgeholt wurde. Auch ein heldenhafter Kampf der von der sozialdemokratischen Parteiführung im Stich gelassenen Schutzbündler konnte den Sieg des Austrofaschismus nicht mehr verhindern. Seit 1918 wich die Sozialdemokratie als grösster Flügel der österreichischen Arbeiterbewegung Schritt für Schritt vor einer immer aggressiver auftrenden österreichischen Bourgeoisie zurück. Wie 1934 folgerichtig auf das jahrzehntelange Zurückweichen der Sozialdemokratie vor der immer frecher auftretenden österreichischen Reaktion seit 1918 folgte, war 1938 die Konsequenz aus 1934. Das austrofaschistische Gefasel von Österreich als angeblich “zweitem deutschen Staat” und die Ausschaltung der österreichischen Arbeiterbewegung als wichtigste Kraft im Kampf um Österreichs Souveränität bereiteten 1938 ebenso vor, wie die theoretische Fehlorientierung einiger führender Sozialdemokraten, wonach ein Anschluss an Deutschland in jedem Fall ein historischer Fortschritt wäre.
Historische Leistung
Obwohl das Österreichische Bundesheer, welches 1934 noch auf Arbeiterinnen und Arbeiter geschossen hatte, im März 1938 gegen die deutschen Aggressoren keinen Schuss abgab, leisteten Männer und Frauen aus den unterschiedlichsten weltanschaulichen Lagern Widerstand. Die KPÖ war die einzige politische Partei, die in organiserter Form gegen die nazifaschistische Diktatur kämpfte. Kommunistinnen und Kommunisten wirkten im Untergrund, halfen Verfolgten, sabotierten die Kriegsproduktion und liefen an den verschiedensten Frontabschnitten zu den Mächten der Anti-Hitler-Koalition über, um in deren Reihen für das Wiedererstehen eines unabhängigen und freien Österreich zu kämpfen. Bereits am 12. März 1938 hat die KPÖ zum nationalen Befreiungskampf aufgerufen und die Befreiung unseres Landes vorhergesagt:
“Das österreichische Volk ist vergewaltigt worden, aber sein Glaube und seine Zuversicht sind ungebrochen. Der Kampf geht weiter. Durch seine eigene Kraft und durch die Hilfe der Weltfront des Friedens wird ein freies, unabhängiges Österreich wiedererstehen.”
Diese richtige Einschätzung war nicht zuletzt deshalb möglich, weil die KPÖ sich bereits in den Jahren vor der Okkupation zu Fragen der Notwendigkeit breiter, antifaschistischer Bündnisse wie auch zur Frage der österreichischen Nation ein theoretisch richtiges Fundament erarbeitet hatte! Der wissenschaftliche Nachweis ihres Genossen Alfred Klahr über die tatsächliche Existenz einer Österreichischen Nation ist ein bleibendes Verdienst dieses österreichischen, kommunistischen Theoretikers.
Die richtigen Schlüsse
Die drei demokratischen Gründungsparteien der Zweiten Republik, SPÖ, ÖVP und KPÖ, haben an der Wiege des wiedererstandenen Österreich die richtigen Schlüsse aus der faschistischen Barbarei gezogen: eine breite Verstaatlichung, das Anschlussverbot an Deutschland, der antifaschistische Gründungskonsens mit dem Verbotsgesetz und die immerwährende Neutralität unseres Landes. Unter diesen Rahmenbedingungen setzte bald nach 1945 ein breiter Aufschwung ein, bedeutende soziale und demokratische Reformen im Sinne der arbeitenden Menschen konnten durchgesetzt werden. Wesentliche Kreise des österreichischen Privatkapitals haben in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik diese Orientierung mitgetragen, da der verstaatlichte Industrie- und Bankensektor auch ihnen eine gesicherte ökonomische Entwicklung ermöglichte.
Rückwärtsgewandte Entwicklung
Wie die österreichische Bourgeoisie bald nach 1918 von der Notwendigkeit eines Wegräumens des revolutionären Schutts sprach, hat das in- und ausländische Monopolkapital in Folge der kapitalistischen Krisenerscheinungen Mitte der Siebziger Jahre und dann verstärkt, im Zuge einer unter kapitalistischen Bedingungen ablaufenden Globalisierung diese Errungenschaften rückgängig gemacht. Mit dem EU-Anschluss Österreichs und der damit einhergehenden Aushöhlung der Neutralität bzw. neuerlichen Unterordnung unter deutsche Kapitalinteressen, mögen sie diesmal auch unter dem Deckmantel der EU versteckt werden, hat diese rückwärtsgewandte Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Ein sich ungehemmt entwickelnder Kapitalismus trägt Krieg und Faschismus in sich, wie die Wolke den Regen! Der notwendige Widerstand gegen jedwede faschistische Gruppe, mag sie noch so klein und unbedeutend scheinen, muss eine der Lehren aus 1938 sein. Wir wissen aber auch: die Gefahr der Menschenverachtung kommt aus der Mitte des monopolkapitalistischen Systems. Repressive, die Mitsprache einer breiten Bevölkerungsmehrheit einschränkende oder gänzlich aufhebende Gesetze, zunehmende staatliche Überwachung und der geplante, weitere Abbau des Verhältniswahlrechtes sind deutliche Schritte der Entdemokratisierung, die sogar hinter Errungenschaften der bürgerlichen Revolution von 1848 zurückgehen. Entdemokratisierung und rücksichtsloser Sozialabbau sind die zwei Seiten der kapitalistischen Medaille, welche heute unter dem Diktat einer allein den rücksichtslosen Kapitalinteressen verpflichteten EU durchgesetzt werden. Ein unabhängiges und neutrales Österreich, ein Österreich in dem die Arbeiterbewegung wieder in die Offensive kommt, um sozialen und demokratischen Fortschritt durchzusetzen, ist nur jenseits der EU möglich!
(Im Auftrag des Landesvorstandes beschlossen vom Landessekretariat am 25. 2. 2008)
Quelle: KPÖ Steiermark
vgl. zum Thema: Kominform - Tibor Zenker: März 1938 in Österreich