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Schweizer Uhrenarbeiter in der Sowjetunion (1937/38)

Eindrücke schweizerischer Uhrenarbeiter von Fabrikarbeit und Alltagsleben in der Sowjetunion, 1937/38 .
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In der Fabrik arbeitete man von morgens 8 Uhr bis 11.30 Uhr. Dann gabs eine Stunde Freizeit, in der die Arbeiter eine Zwischenverpflegung einnehmen: belegte Brötchen mit Wurst oder Käse und Tee dazu. Man raucht sein Pfeifchen oder eine Zigarette. Die russischen Arbeiter schoben oft im technischen Büro, das ein groÖer Saal war, die Tische zusammen und tanzten nach der Musik einer Handorgel bis zum Wiederbeginn der Arbeit, die nachmittags von 12.30 Uhr bis 4 Uhr dauert. Dann erst wird das eigentliche Mittagessen eingenommen. Der frühe Feierabend gibt dem russischen Arbeiter die Möglichkeit, sich weiterzubilden. In Abendkursen kann er alle Schulen absolvieren. Hat er gute Zeugnisse, so kann er auf die Universität; dafür braucht er nichts zu bezahlen, sondern er erhält als Student den gleichen Lohn wie in der Fabrik.

Man arbeitet also täglich sieben Stunden, immer 55 Minuten Arbeitszeit, dann fünf Minuten Pause. Jeder sechste Tag ist ein Ruhetag, das heiÖt immer der 6., 12., 18., 24., und 30. des Monats. Hat der Monat 31 Tage, so entsteht eine Woche von sechs, im Februar dagegen eine solche von nur drei Arbeitstagen. Die Bauern auf dem Lande halten sich noch vielfach an die Siebentagewoche, was von der Regierung geduldet wird. Wer einen Monat lang gearbeitet hat, hat Anrecht auf einen Tag Ferien, das macht im Minimum 12 Ferientage im Jahre. Alle guten Arbeiter bekommen als Prämie bis zu einem Monat und noch mehr Ferien.

Der Vorgesetzte ist ein Kamerad und muss die ihm unterstellten Arbeiter als Kameraden behandeln. MiÖbraucht er seine Stellung, oder beginnt er sich über die Arbeiter erhaben zu fühlen, so hat er vor einer Betriebskommission zu erscheinen. Seine Verfehlungen können Strafe oder Versetzung zur Folge haben.

Benimmt sich ein Arbeiter seinem Vorgesetzten gegenüber nicht kameradschaftlich, so kann ihm dasselbe passieren.

Aller Anfang ist schwer! Zuerst fehlte es in Penza an allerlei, woran wir in der Schweiz gewöhnt waren. Die Lebensweise der Russen ist eine andere. Die Läden sind auf ihre Bedürfnisse eingestellt, so bekamen wir vieles nicht, was wir nicht gerne entbehrten: Reis, mancherlei Gemüse, Obst. Aber mit der Zeit wurde es immer besser, und in manchem paÖten wir uns eben an.

Hauptsächlich Penza ist noch »hinter dem Mond zu Hause», namentlich im Vergleich zu Moskau; (las neue Zeitalter beginnt hier erst durchzubrechen. Und wenn immer behauptet wird, daÖ man in Russland den Ausländern nur das Schöne zeige, so haben wir in Penza den Gegenbeweis dieser dummen Lügen erfahren. Aber auch in dieser Stadt geht die Entwicklung mit Riesenschrit­ten vorwärts, und es ist nichtschwer gewesen, dem Leben auch in dieser ungewohnten Gegend seine Reize abzugewinnen Anfangs war unser Leben etwas eintönig. Das vorherige Jahr war schlecht gewesen, groÖe Trockenheit. Es gab wenig Gemü­se und Obst. Wir mussten uns mit Kartoffeln aushelfen; Fleisch gab es übergenug. Metzgerläden wie bei uns sahen wir wohl in Moskau, aber in Penza gab es keine. Die Kollektivbauern brin­gen ihr Vieh in die Stadt zum Schlachten und verkaufen dann das Fleisch auf dem Markte. Poulets konnte man billig haben, soviel man wollte, und ich kann sagen: in meinem Leben habe ich noch nie so viel Poulets gegessen wie in Penza. Gemüse pflanzten wir Schweizer uns im eigenen Garten. Auch die Rus­sen hatten Gärten, aber sie gaben sich wenig Mühe. Die Russen sind gemütlich, aber auch, namentlich die ältere Generation, etwas phlegmatisch. Sellerie und Rosenkohl kennt man dort noch wenig, man iÖt Suppe, Fisch und viel Fleisch. Der Gemü­sebau wird jedoch jetzt auch gefördert.

Man spricht viel von den schlechten Wohnverhältnissen in der Sowjetunion, jedoch nur zum Teil mit Recht. Es werden viele gute Zwei- bis Dreizimmerwohnungen mit groÖen hellen Fenstern, Balkon und Bad gebaut. Manche russischen Familien fühlen sich aber nicht wohl darin. Sie sind noch nicht alle ge­wöhnt, den Sachen Sorge zu tragen und alles rein und sauber zu halten. Die gute Wohnung verursacht ihnen zuviel Umstände. Da muss man den Frauen zuerst zeigen, wie man die Fenster und die Böden reinigt, wie man eine neue Wohnung mit Sorg­falt behandelt.

Manchmal können sie sich gar nicht anpassen und müssen wieder in eine alte Wohnung geschickt werden. Trotzdem Pen­za eine Stadt mit 150000 Einwohnern ist, halten die Bewohner mit Vorliebe Ziegen und Hühner und benehmen sich auch sonst eher wie Landleute als wie Städter. Im Sommer hat man die Tiere in einem Schopf oder läÖt sie in der Umgebung ihr Futter suchen. Im Winter aber wird es grimmig kalt, und da werden die Tiere einfach in die Wohnung genommen und schauen ne­ben den Kindern zum Fenster hinaus.

Quelle: Red-ChannelEindrücke Schweizer Uhrenarbeiter

Schweizer Uhrenarbeiter in der Sowjetunion (1937/38)

Eindrücke schweizerischer Uhrenarbeiter von Fabrikarbeit und Alltagsleben in der Sowjetunion, 1937/38 .

… In der Fabrik arbeitete man von morgens 8 Uhr bis 11.30 Uhr. Dann gabs eine Stunde Freizeit, in der die Arbeiter eine Zwischenverpflegung einnehmen: belegte Brötchen mit Wurst oder Käse und Tee dazu. Man raucht sein Pfeifchen oder eine Zigarette. Die russischen Arbeiter schoben oft im technischen Büro, das ein groÖer Saal war, die Tische zusammen und tanzten nach der Musik einer Handorgel bis zum Wiederbeginn der Arbeit, die nachmittags von 12.30 Uhr bis 4 Uhr dauert. Dann erst wird das eigentliche Mittagessen eingenommen. Der frühe Feierabend gibt dem russischen Arbeiter die Möglichkeit, sich weiterzubilden. In Abendkursen kann er alle Schulen absolvieren. Hat er gute Zeugnisse, so kann er auf die Universität; dafür braucht er nichts zu bezahlen, sondern er erhält als Student den gleichen Lohn wie in der Fabrik.

Man arbeitet also täglich sieben Stunden, immer 55 Minuten Arbeitszeit, dann fünf Minuten Pause. Jeder sechste Tag ist ein Ruhetag, das heiÖt immer der 6., 12., 18., 24., und 30. des Monats. Hat der Monat 31 Tage, so entsteht eine Woche von sechs, im Februar dagegen eine solche von nur drei Arbeitstagen. Die Bauern auf dem Lande halten sich noch vielfach an die Siebentagewoche, was von der Regierung geduldet wird. Wer einen Monat lang gearbeitet hat, hat Anrecht auf einen Tag Ferien, das macht im Minimum 12 Ferientage im Jahre. Alle guten Arbeiter bekommen als Prämie bis zu einem Monat und noch mehr Ferien.

Der Vorgesetzte ist ein Kamerad und muss die ihm unterstellten Arbeiter als Kameraden behandeln. MiÖbraucht er seine Stellung, oder beginnt er sich über die Arbeiter erhaben zu fühlen, so hat er vor einer Betriebskommission zu erscheinen. Seine Verfehlungen können Strafe oder Versetzung zur Folge haben.

Benimmt sich ein Arbeiter seinem Vorgesetzten gegenüber nicht kameradschaftlich, so kann ihm dasselbe passieren …

Aller Anfang ist schwer! Zuerst fehlte es in Penza an allerlei, woran wir in der Schweiz gewöhnt waren. Die Lebensweise der Russen ist eine andere. Die Läden sind auf ihre Bedürfnisse eingestellt, so bekamen wir vieles nicht, was wir nicht gerne entbehrten: Reis, mancherlei Gemüse, Obst. Aber mit der Zeit wurde es immer besser, und in manchem paÖten wir uns eben an.

Hauptsächlich Penza ist noch »hinter dem Mond zu Hause», namentlich im Vergleich zu Moskau; (las neue Zeitalter beginnt hier erst durchzubrechen. Und wenn immer behauptet wird, daÖ man in Russland den Ausländern nur das Schöne zeige, so haben wir in Penza den Gegenbeweis dieser dummen Lügen erfahren. Aber auch in dieser Stadt geht die Entwicklung mit Riesenschrit­ten vorwärts, und es ist nichtschwer gewesen, dem Leben auch in dieser ungewohnten Gegend seine Reize abzugewinnen Anfangs war unser Leben etwas eintönig. Das vorherige Jahr war schlecht gewesen, groÖe Trockenheit. Es gab wenig Gemü­se und Obst. Wir mussten uns mit Kartoffeln aushelfen; Fleisch gab es übergenug. Metzgerläden wie bei uns sahen wir wohl in Moskau, aber in Penza gab es keine. Die Kollektivbauern brin­gen ihr Vieh in die Stadt zum Schlachten und verkaufen dann das Fleisch auf dem Markte. Poulets konnte man billig haben, soviel man wollte, und ich kann sagen: in meinem Leben habe ich noch nie so viel Poulets gegessen wie in Penza. Gemüse pflanzten wir Schweizer uns im eigenen Garten. Auch die Rus­sen hatten Gärten, aber sie gaben sich wenig Mühe. Die Russen sind gemütlich, aber auch, namentlich die ältere Generation, etwas phlegmatisch. Sellerie und Rosenkohl kennt man dort noch wenig, man iÖt Suppe, Fisch und viel Fleisch. Der Gemü­sebau wird jedoch jetzt auch gefördert.

Man spricht viel von den schlechten Wohnverhältnissen in der Sowjetunion, jedoch nur zum Teil mit Recht. Es werden viele gute Zwei- bis Dreizimmerwohnungen mit groÖen hellen Fenstern, Balkon und Bad gebaut. Manche russischen Familien fühlen sich aber nicht wohl darin. Sie sind noch nicht alle ge­wöhnt, den Sachen Sorge zu tragen und alles rein und sauber zu halten. Die gute Wohnung verursacht ihnen zuviel Umstände. Da muss man den Frauen zuerst zeigen, wie man die Fenster und die Böden reinigt, wie man eine neue Wohnung mit Sorg­falt behandelt.

Manchmal können sie sich gar nicht anpassen und müssen wieder in eine alte Wohnung geschickt werden. Trotzdem Pen­za eine Stadt mit 150000 Einwohnern ist, halten die Bewohner mit Vorliebe Ziegen und Hühner und benehmen sich auch sonst eher wie Landleute als wie Städter. Im Sommer hat man die Tiere in einem Schopf oder läÖt sie in der Umgebung ihr Futter suchen. Im Winter aber wird es grimmig kalt, und da werden die Tiere einfach in die Wohnung genommen und schauen ne­ben den Kindern zum Fenster hinaus.

Quelle (Red-Channel): Eindrücke Schweizer Uhrenarbeiter