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KPU-Vorsitzender: Schuldig am Blutvergiessen sind die Oligarchen-Clans

Petro Simonenko zur aktuellen Situation in der Ukraine


Ein Korrespondent der Agentur GolosUA hat in der vergangenen Woche mit dem Ersten Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei der Ukraine, Pjotr Simonenko darüber gesprochen, wie in der gegenwärtigen für die Ukraine äusserst schwierigen Situation ein Weg zum Frieden gefunden werden kann. Wir veröffentlichen im Folgenden Auszüge aus dem Gespräch.


Pjotr Nikolajewitsch, ungeachtet der Versicherungen des neuen Präsidenten der Ukraine gehen die Kämpfe im Osten weiter…

Simonenko: Die Frage des Friedens in der Ukraine ist heute die Schlüsselfrage. Doch die Machthabenden machen sich bis jetzt nicht daran sie zu lösen. Vorläufig ist die neue Etappe der Umverteilung des Eigentums zwischen den verschiedenen grosskapitalistischen Clans noch nicht zu Ende. Was macht z. B. der Gouverneur des Gebiets Dnjepropetrowsk? Er baut ungesetzliche bewaffnete Formationen für militärische Operationen auf, um damit seinen Einfluss auf benachbarte Regionen auszudehnen und sein Eigentum und seinen Reichtum weiter zu vergrössern.

Von den ersten Tagen an hat die KPU sich gegen die Eskalation der militärischen Konfrontation gewandt und vom Regime die Einstellung der militärischen Operation gegen die eigenen Bürger unter Einsatz der regulären Armee und radikaler Söldner gefordert. Wir haben einen konkreten Plan für einen friedlichen Ausweg der Ukraine aus der politischen Krise mittels eines Verhandlungsprozesses und der Erweiterung der Rechte der regionalen Verwaltungseinheiten vorgelegt. Wir sind davon überzeugt, dass Wahlen unter den Mündungen von Maschinenpistolen und der Androhung physischer Rache gegen Andersdenkende deren Entweihung bedeuten. Es ist notwendig, zuerst das Gemetzel eizustellen, die erforderlichen Önderungen der Verfassung durchzuführen und erst danach Wahlen abzuhalten. Das ist unsere prinzipielle Position.

Sonst ist das, was die Machthaber stolz als Wahlen bezeichnen, nichts als politische Technologie und Manipulation des gesellschaftlichen Bewusstseins durch totale Zensur und die “Okkupation” des Informationsraums. Die Ziele der neuen Machthaber unterscheiden sich in nichts von denen ihrer Vorgänger – Profit, Profit und nochmals Profit. Das ist das innere Problem der Ukraine, und gelöst werden muss es, ohne auf “Wohltäter” jenseits der Grenzen zu schauen.

Und was ist das äussere Problem?

Es besteht darin, dass die USA, die NATO und die EU die politische Auseinandersetzung und den bewaffneten Konflikt in der Ukraine zur Durchsetzung ihrer eigenen geopolitischen Ziele nutzen. Sie sind daran interessiert, dass unser Konflikt nicht erlischt und giessen “Öl ins Feuer”. Es ist verständlich, dass dort, wo ein Konfrontationsherd ist, der Staat geschwächt, und Wirtschaftspotential zerstört wird: im Energie-, Maschinenbau-, Metallurgie-und Chemiesektor, im Transportwesen und anderen Bereichen. Im Gefolge wird die Ukraine auf kolossale Probleme bei der Wiederherstellung der verlorenen Potentiale stoÖen. Das Schlimmste aber – das ist der Verlust menschlicher Potentiale.

(…)

Welche konkreten Schritte müssen unternommen werden, damit in der Ukraine erneut Frieden herrscht?

Ich halte es zur Regulierung des Konflikts für notwendig, die sog. Antiterroroperation, d.h. dem Wesen der Sache nach, den Krieg, zu stoppen, die Truppen an ihre Stationierungsorte zurückzuführen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Weil es auf dem Territorium des Donbass verschiedene politische Kräfte und gesellschaftliche Organisationen wirken, müssen an den –runden Tisch– Vertreter aller Abgeordnetenfraktionen und Gruppen eingeladen werden, die Repräsentanten der regionalen und örtlichen Machtorgane, die informellen gesellschaftlichen Führer, die Vertreter der Arbeitskollektive und Gewerkschaftsaktivisten. Gemeinsam müssen wir die Liste der Schlüsselprobleme sowie die Wege und Mechanismen zu ihrer Lösung erarbeiten. Gemeinsam müssen wir Veränderungen der Verfassung und die notwendigen gesetzlichen MaÖnahmen für den Ausweg der Ukraine aus der ausserordentlich tiefen politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krise erarbeiten.

Wie die Praxis zeigt, bringen “runde Tische” jedoch nicht den gewünschten Effekt …

Das, was das Regime nach dem Februar-Umsturz als “runden Tisch” bezeichnete, war dem Wesen der Sache nach nur dessen Imitation, ein Feigenblatt, das dazu diente, während der Kampagne zur Präsidentenwahl einen Vorhang zu schaffen, hinter dem die Strafoperation in den Gebieten Donezk und Lugansk fortgesetzt wurde.

Es ist kein Zufall, dass zu diesen “runden Tischen” die kommunistischen Abgeordneten nicht eingeladen wurden, weil wir vorgeschlagen hatten, konkrete Probleme zu erörtern: die Vergrösserung der Vollmachten und Möglichkeiten der territorialen Einheiten, die Reform des Gerichtssystems und der Rechtsschutzorgane sowie der russischen Sprache den Status einer Staatssprache zu geben. Zweifellos stellen die “runden Tische”, die die neuen Machthaber organisierten, eine Verhöhnung des Landes und der Menschen dar.

Wo sind die Garantien dafür, dass der vom neuen Präsidenten inszenierte Verhandlungsprozess nicht dazu dienen wird, ein weiteres Mal die Augen der Menschen zu verkleistern?

Leider finden sich in der Inauguralrede des Präsidenten keine Antworten auf die Frage, wie er die Suche nach Wegen zum Frieden sieht. So war in seiner Rede vom 7. Juni die These über eine Dezentralisation zu hören, aber erneut hat es keine Antwort über den Mechanismus zu deren Verwirklichung gegeben. Nur ein Verhandlungsprozess auf breitester Grundlage, über den ich bereits gesprochen habe, kann ein positives Ergebnis bringen. Das ukrainische Volk soll kein Blut in einem Bürgerkrieg vergiessen.

Poroschenko hat dazu aufgerufen, einen Korridor für das Herauskommen der friedlichen Bevölkerung aus der Zone des bewaffneten Kampfes zu schaffen. Dem Wesen nach ist das eines der ersten deklarierten Vorhaben der Sorge um die Sicherheit der Bewohner der Region …

Das wäre schon längst nötig gewesen. Das ist keine Errungenschaft, sondern die direkte Verpflichtung einer Macht, die sich als demokratisch bezeichnet. Doch lassen Sie uns über etwas anderes nachdenken: Allein in Donezk leben mehr als eine Million Menschen. Werden eine Million Menschen diesen Korridor nutzen? Es ist klar, dass dies nicht der Fall sein wird. Wohin werden sie gehen? Gibt es doch für viele nichts wohin sie gehen könnten! Ist der Staat darauf vorbereitet und bereit, die Rechte und Bedürfnisse der Umsiedler zu gewährleisten? Nein! Darum muss der Präsident nicht über einen “Korridor”, sondern über die Feuereinstellung sprechen. Jeder Tropfen Blut, der nach dem 7. Juni vergossen wurde, vertieft die Spaltung, erschwert den Weg zur Einheit der Ukraine. Ich will nicht, dass unser Volk, unser Land das Schicksal Transnistriens wiederholt. Eben darum muss der Präsident als Oberkommandierender unverzüglich den Befehl zur Beendigung der Militäroperation erteilen.

(…)

Die USA haben Russland gebeten, die Grenze zur Ukraine zu schliessen. Wie kann man eine solche Bitte bewerten?

Ich will, dass wir als selbstständiger Staat handeln, damit wir nicht vom Ausland getrieben werden, damit wir selbstständige Entscheidungen im Interesse des ukrainischen Volkes treffen und nicht im Interesse jener, die versuchen, die Interessen ihres Business zu vertreten, wie das z. B. Herr Biden mit seinem Sohn macht, der die Gewinnung des Schiefergases in der Ukraine kontrolliert.


(…)

Quelle: news.dkp.de – Vorveröffentlichung aus der UZ Nr. 25 vom 20 Juni 2014, Auswahl und Übersetzung aus dem Russischen: Willi Gerns.


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