Rolf Zbinden: «Nichts Aufgesetztes, sondern Teil des Alltags»
Rolf Zbinden, Lehrer und Stadtrat der Partei der Arbeit Bern, nahm am 6. Oktober 2007 an der Demonstration gegen den Marsch auf Bern der Schweizerischen Volkspartei SVP teil. Am Aufmarsch der SVP beteiligten sich auch zahlreiche Faschisten. Dank der Blockade der Berner Innenstadt wurde der Marsch verhindert. Am 28. Oktober 2008 wurde Rolf Zbinden in erster Instanz wegen Landfriedensbruchs verurteilt. Am gleichen Tag noch wurde ihm von der Gewerblich Industriellen Berufsschule Bern GIBB – kurz vor dem fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläum – gekündigt. Dazu ein Interview von Alexander Eniline («Encre Rouge», April 2009):
«Encre rouge»: Wie hast du die missbräuchliche Kündigung erlebt?
Für mich war es ein weiterer Meilenstein in einer Kampagne, die nicht nur darauf zielte, die Politik, für die ich als Vertreter der PdA Bern stehe, zu diskreditieren – von Anfang an ging es auch darum, mich als Person anzugreifen, zu verletzen, zu zermürben. Das begann gleich nach dem 6. Oktober 2007 mit verleumderischen Berichten in der Berner Einheitspresse, setzte sich im Berner Stadtrat mit Rücktrittsforderungen und persönlichen Verunglimpfungen fort und erreichte einen ersten Höhepunkt im Landfriedensbruchs-Prozess vom 28. Oktober 08. Und auf die Verurteilung in erster Instanz folgte dann noch gleichentags die Kündigung! Bemerkenswert ist dabei, wie viele unterschiedliche Instanzen letztlich sich in die Hände arbeiteten und im Endeffekt ein Exempel statuierten.
Zu den Erfahrungen der vergangenen eineinhalb Jahre gehören jedoch nicht nur diese Tiefschläge konzertierter Repression, sondern auch die Zeichen der Solidarität, auf die ich immer wieder gestossen bin. Besonders bemerkenswert scheint mir der Umstand, dass meine ArbeitskollegInnen eine Petition gegen meine Entlassung lancierten. Ich selber habe immer wieder dazu aufgefordert, nicht in erster Linie an mich, sondern auch an sich selber zu denken: Wenn man mich nach 25 Jahren Schuldienst auf diese rüde Weise abservieren kann – dann lässt das für die Zukunft nichts Gutes ahnen.
Welche Kämpfe führst du als gewählter Vertreter der PdA Bern im Stadtrat?
Wir mussten uns in den vergangen Jahren in Bern vor allem mit Versuchen sozialer Ausgrenzung und mit der Einschränkung von Grundrechten auseinandersetzen. Dabei ergab sich in den meisten Fällen das gleich Szenario: Die Rechte heizte ein und namhafte Teile des rot-grünen Bündnisses, das über eine Mehrheit im Parlament sowie in der Stadtregierung verfügt, lenkte nach Murren schliesslich ein. So geschehen bei der Einführung von Sozialinspektoren, beim Bettelverbot im Bahnhof, bei der Einschränkung der Demonstrationsfreiheit auf Platzkundgebungen und bei den Angriffen auf die basisdemokratischen Strukturen des Kulturzentrums Reitschule.
Welche Bilanz ziehst du aus deinen parlamentarischen Aktivitäten?
Schnell wirst du zum Buhmann für die Rechten, zum Clown für die Linken. Die Mechanismen der Personalisierung greifen schnell. Die Versuchung ist nicht zu unterschätzen, sich darin mit gutem politischem Gewissen einzurichten und den Parteinamen als Label zu promoten. Es war aber von Anfang an – seit unserer ersten Kandidatur 2004 – unser Ziel, unsere Politik nicht durch die Agenda der parlamentarischen Linken definieren zu lassen. Unsere Referenz dürfen nicht die rhetorischen Ansprüche von Rot-Grün sein, sondern die radikalen sozialen Bewegungen und die Lebensbedürfnisse jener, die aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen als Überflüssige aussortiert werden. Dieser Anspruch, ausserparlamentarischen Kräften und Kämpfen eine parlamentarische Plattform zu bieten, ohne zu vereinnahmen – diesem Anspruch dürften wir gerecht geworden sein. Das würde uns als Leistungsausweis genügen.
Wie schätzest du die Einschränkung und Infragestellung demokratischer Rechte in der Schweiz ein?
Die Unverfrorenheit, mit der in den letzten Jahren – gerade auch hier in Bern – Demonstrationen unterdrückt und Leute willkürlich festgenommen und schikaniert werden, kann nicht mehr mit einzelnen Überreaktionen erklärt werden. Da wird vielmehr systematisch gegen eine politische Opposition vorgegangen, die sich nicht brav an Wahl- und Abstimmungsrituale klammert. Beispielhaft zeigt das die Polizeiaktion vom 11. Februar, als hier in Bern vor 6 Uhr morgens bei 8 Hausdurchsuchungen 7 Personen festgenommen worden sind – und zwar als –Auskunftspersonen–, die man dann auch gleich noch DNA-erfasste. Das ist nicht bloss klassische Einschüchterung, sondern gezielte polizeistaatliche Aufrüstung. Dazu passt dann auch ganz prima, dass die Polizei in Bern am 8. März den Aufmarsch von 150 Faschisten der Partei National Orientierter Schweizer PNOS nicht nur toleriert, sondern vor GegendemonstrantInnen schützt!
Die PdA Bern, deren Mitglied du bist, hat den Antrag gestellt, dass sich die Partei der Arbeit Schweiz in Kommunistische Partei umbenennt. Was würde diese Namensänderung deiner Meinung nach bringen?
Erstens einmal wäre es für uns in Bern ein schlichter Nachvollzug politischer Realitäten. So gehört das Adjektiv –kommunistisch– mittlerweile zum festen Bestandteil der Berichterstattung über die PdA Bern als Ganzes und über einzelne ihrer Mitglieder – so galt ich bis zu meiner Entlassung als der –kommunistische Lehrer–. Bei den Wahlen Ende 2008 sind wir denn auch unter dem Namen –Kommunistische Liste – PdA Bern– angetreten. Wer uns wählte, hatte offensichtlich keine Vorbehalte gegenüber dem Namen.
Sicher kann man argumentieren, die Namensänderung käme einem politischen Überriss, einer Anmassung gleich. Als sehr kleine Partei sind wir uns in Bern dessen bewusst, dass politische Bescheidenheit angemessen ist – und zwar in erster Linie gegenüber unseren politischen Verbündeten. Mit der Namensänderung geht es uns nicht um politischen Etikettenschwindel, sondern darum, ein Zeichen zu setzen: dass wir den radikalen Bruch mit der Menschen und Natur verachtenden Kapitalherrschaft und den Kampf für eine solidarische Gesellschaft ernst nehmen. Wir berufen uns dabei nicht auf eine parteipolitische Tradition, sondern auf eine reiche und auch widersprüchliche Geschichte des kommunistischen Widerstands.
Es hat sich in der politischen Diskussion der letzten Jahre interessanterweise gerade in Frankreich und Italien gezeigt, dass der Begriff –Kommunismus– zurückgekehrt ist: als Zeichen radikaler Dissidenz und Leitvorstellung jener Kräfte, die durch das parlamentarische Betrugsspiel – auch der traditionellen –euro-kommunistischen– Parteien – angeekelt sind. Kommunistinnen und Kommunisten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie sich dem Gerangel um Pfründen und Privilegien verweigern und die Nöte, Bedürfnisse und Träume der –Erniedrigten und Beleidigten–, der –Verdammten dieser Erde– aufnehmen und in gemeinsame Kämpfe zu überführen helfen. Das gestattet keine Haltung der Überheblichkeit. Das erfordert Neugier, soziale Fantasie und Bescheidenheit.
Wie sieht deine Zukunftsvision unserer Partei aus? Was braucht es, damit die PdA (wieder?) eine politische Kraft wird, die etwas zählt?
Zuerst einmal ist es wesentlich, dass wir überhaupt wahrgenommen werden, dass man merkt, dass es uns überhaupt gibt. Und damit meine ich jetzt nicht in erster Linie unsere Arbeit in und mit den Medien. Ich meine unsere physische Präsenz, unsere Anwesenheit in den Quartieren, Betrieben, Schulen, Kulturzentren, unsere Teilnahme an Mobilisierungen, Demonstrationen, Kämpfen. Ich höre schon die Entgegnung: Aber woher nehmen wir denn da die Kapazitäten, die Leute, die Zeit? Diese Fragen sind jedoch nur so lange legitim, als wir im klassischen Sinn –intervenieren– – also von aussen an die Menschen herantreten. Aber wir alle wohnen auch, einige studieren, andere arbeiten, viele gehen in den Ausgang. Unsere Präsenz braucht also nichts Aufgesetztes zu sein, sondern könnte sich als Teil des Alltags entwickeln. Auf diese Weise lernt man sich auch politisch kennen, bilden sich Verbindlichkeiten heraus, entsteht gegenseitiges Vertrauen. Wir nennen das eine Politik –auf Augenhöhe–.
Dieses Prinzip gilt für uns auch in der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen: Politische Hahnenkämpfe, die wir aus Bündnissen kennen, in welche die PdA Schweiz viel Energie investiert hat, kennen wir hier in Bern bei gemeinsamen politischen Initiativen zum Glück nicht. Betrachten wir den Klassenkampf von unten als gemeinsamen Lernprozess, dann verbieten sich Kraft- und Ränkespiele, die so unheimlich viel Energie und Lust abtöten. Gemeinsame Lernprozesse an der gesellschaftlichen Basis: Das hört sich nicht spektakulär oder gar visionär an. Aber dort gehören wir hin: an die Basis. Und von dort muss die gesellschaftliche Umwälzung kommen, wenn sie denn radikal sein soll: von unten. Das ist unser Weg in die Zukunft – gerade für uns als Kommunistinnen und Kommunisten.
Quelle/Original: Rolf Zbinden, un militant passionné! (Parti du Travail, Genève, Encre Rouge, No. 1, Avril 2009)
- Thomas Näf: Zur Kampagne gegen Rolf Zbinden
- Dossier Solidarität mit Rolf Zbinden
- Online-Petition (externer Link): Kein Berufsverbot fuer Antifaschisten!