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Die Zahlenstärke der Linken bei den nationalen Wahlen 2015 in der Schweiz

Die Schweizer Bürger waren am vergangenen Wochenende zur Neuwahl des Nationalrates (das Unterhaus mit 200 Mitgliedern) und des Ständerats (Senat oder Oberhaus von zwei Senatoren pro Kanton) aufgerufen. Auf nationaler Ebene hat sich die fremdenfeindliche Rechtspartei SVP mit 65 Gewählten und einer Steigerung von 11 Abgeordneten als stärkste Partei bestätigt. Zweitstärkste Partei der Schweiz bleibt die Sozialdemokratische Partei (SP), die allerdings einen Rückgang von 4 Abgeordneten verzeichnet und bei 43 Nationalräten landet. Ebenfalls gewachsen ist die Liberale Partei (FDP) mit 33 Abgeordneten (3 mehr als in der vorangegangenen Wahlperiode). Im fortschrittlichen Lager verlieren auch die Grünen mit 11 Gewählten 4 Sitze. Mitte-Links verlor damit insgesamt 8 Abgeordnete. Eine Situation, die mit der Wahl ins Parlament eines “Aussenseiter”-Mitglieds aus der “radikalen” Linken durch den Kanton Neuenburg nicht ausgeglichen wird.

Die schweizerische Besonderheit

Bei der Analyse der Daten von eidgenössischen Wahlen ist jedoch Vorsicht geboten: da die Verteilung der Sitze nach Kantonen unterteilt ist, ohne einen nationalen Ausgleich, ist nicht die prozentuale Verschiebung auf Landesebene massgebend, sondern die Änderungen der Parteistärken in den einzelnen Kantonen, vor allem in denen, die eine grössere Anzahl von Sitzen aufweisen. In der Tat werden Allianzen auf kantonaler Grundlage und in jedem Kanton können Kantonalparteien unterschiedliche Programme vorlegen, können abweichende Namen haben usw. Dies ist ein typisches Merkmal des Wahlsystems in der Schweiz und wird oft vergessen, was auf Kosten einer ernsthaften Analyse der Stimmen und der Verwurzelung der Parteien geht.

Die klassenbewusste Linke fehlt auf nationaler Ebene

Die Kräfte der klassenorientierten Linken in der Schweiz sind äusserst schwach und von Kanton zu Kanton zersplittert. In der Tat gibt es in der Schweiz – links von der Sozialdemokratie und mindestens tendenziell auf Klassenpositionen – keine echte, auf nationaler Ebene zentralisierte Partei mehr: während die historische Partei der Arbeit der Schweiz (PdA / POP) heute mehr denn je wie ein “Netzwerk” von 7 regionalen Parteien (Genf, Waadt, Neuenburg, Jura, Bern, Zürich, Tessin) mit politisch und ideologisch auch sehr unterschiedlichen Linien erscheint, will offenbar der jüngste Versuch zur Verschmelzung der Kräfte der antikapitalistisch Bewegten unter dem Namen “Alternative Linke” (Bern, Schaffhausen, Winterthur, Zürich, Wallis, Waadt) nicht wirklich abheben.

Links von der Sozialdemokratie in den Kantonen

Bei der Untersuchung der Entwicklung der Listen der oppositionellen Linken können wir folgendes beobachten: Im Kanton Tessin in der italienischsprachigen Schweiz, wo – mit einem Mitglied im Kantonsparlament und Dutzenden von Gemeinderäten – die von der PdAS wegen politisch- ideologischer Differenzen ausgeschlossene Kommunistische Partei (PC, KP) ihren Schwerpunkt hat, erreichte der kommunistische Kandidat für den Ständerat das historische Ergebnis von 4%. Für den Nationalrat kamen die Kommunisten auf 0,8%, was mit dem störenden Einfluss der Abspaltung der POP (Partito Operaio e Popolare), die bei 0,5% stehenbleibt, und anderer kleinerer Listen von radikaler Ausrichtung zu erklären ist. In Zürich verharrt die Partei der Arbeit bei 0,2%, bei gleichzeitiger, wenn auch nur geringfügiger Erhöhung des Anteils der “Alternativen Linken”, der von 1% auf 1,77% steigt. In Bern hält sich die PdA zusammen mit der Kommunistischen Jugend bei 0,5%. In Schaffhausen tritt nur die “linke Alternative” an und erreicht 4,4%. In Basel haben weder die historische “Partei der Arbeit 1944”, noch die (inzwischen aufgelöste) “Neue PdA” Kandidaten nominiert. In Graubünden , wo die Kommunistische Partei im Bündnis mit der Sozialdemokratischen Partei einen Stellvertreter ins Kantonsparlament gewählt hatte, hat keiner der Genossen kandidiert. Besser ist die Situation – aus historischen Gründen – in der französischen Schweiz: Im Jura erreichte die mit der Parti Ouvrier Populaire (POP) verbündete Bewegung “Combat Socialiste” 3,7%. Im Kanton Waadt erlebte das Bündnis zwischen der Bewegung “Solidarité” und der POP einen leichten Rückgang und hält sich jetzt bei 2,2%. In Genf war die Partei der Arbeit mit gebrochenen Knochen aus den Wahlen des Jahres 2011 herausgegangen, als sie auf 1,4% zusammenbrach: aber diesmal hat sie sich mit anderen fortschrittlichen Kräften in der Liste “Ensemble à Gauche” zusammengefunden, die einen Anteil von 4% macht, was zusammen mit anderen kleineren Listen addiert die Koalition auf etwa 6% führt (ein leichtes Absinken im Vergleich zum Total der verschiedenen Listen der Linken vor vier Jahren). Immer in Genf, hat hingegen die Partei “Les Communistes”, deren Wahlvorschlag “Gauche de combat” im Jahr 2011 0,7% erhalten hatte, beschlossen, nicht an diesen Wahlen teilzunehmen. Das einzige konkrete Ergebnis mit gut 12% der Stimmen findet sich im Kanton Neuenburg , wo es der POP, Ablegerin der Partei der Europäischen Linken (EL), gelingt, einen Abgeordneten zu wählen.

Original (ital.): I numeri della sinistra di classe alle elezioni nazionali 2015 in Svizzera (sinistra.ch, 20.10.2015) | Übersetzung: kommunisten.ch (20.10.2015)


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