Zum Europarat: es ist nicht alles Gold, was glänzt
Von Massimiliano Ay
Ich war der einzige Abgeordnete, der während der vorletzten Sitzung des Grossrats das Wort nicht ergriff, um sich in Lobesworten an den Europarat zu ergehen, dem die Schweiz als Mitglied angehört.
Natürlich nahmen Einige diese meine Haltung, nicht in den Chor einzustimmen, zum Anlass für den Vorwurf, dass ich mich nicht zu den Werten der Menschenrechte und der Demokratie bekennen würde. Dies trifft selbstverständlich nicht zu: nicht nur ist mir der Unterschied zwischen Europäischer Union (EU) und Europarat klar, aber ich halte es für sinnvoll, bei der Analyse derartiger Organisationen einen gewissen kritischen Abstand einzuhalten, auch wenn die Schweiz an ihnen teilnimmt.
Der Europarat gründet auf Werten wie eben den Menschenrechten, der Freiheit, der Demokratie. Alles schön und gut, auf dem Papier wenigstens. Aber dann kommt die Realität der Fakten. Und diese Fakten müssen unweigerlich hervortreten, wenn wir ernsthaft Politik machen. Es wäre in der Tat ein Fehler, sich der Illusion hinzugeben, der Europarat sei eine neutrale, über den Parteien stehende, idyllische Einrichtung: wenn wir eine marxistische Analyse anwenden, handelt es sich immer noch um einen ideologischen Überbau im Dienste des atlantischen geopolitischen Systems und des Prozesses der europäischen Integration, die heute gerade in der EU ihren höchsten Ausdruck findet, und mit welcher die Kommunistische Partei sich nicht identifizieren kann.
Ich kann zum Beispiel nicht vergessen, dass es vor einigen Jahren gerade der Europarat war, der über einen Beschluss beriet, welcher die Hitlerbarbareien mit den kommunistischen Partisanen und der Roten Armee, die einen gewaltigen Beitrag zu Befreiung Europas vom Nazifaschismus leisteten, auf gleiche Stufe stellen wollte. Mir geht auch die Tatsache nicht aus dem Sinn, dass kürzlich eben der Europarat einen seinen Vertreter herausgefordert hat, indem er ihn beschuldigte, sich nach Syrien begeben zu haben, um den Dialog mit der laizistischen Regierung dieses Landes zu suchen, das Opfer der von den Nordamerikanern unterstützten Terrors ist. Und ich kann auch nicht vergessen, dass der Europarat Druck ausübt, um Ungarn von der Einführung eines Gesetzes abzuhalten, welches eine grössere Transparenz über ausländische Finanzierungen von Nicht-Regierungs-Organisationen vorschreibt, die oft Komplizen in Umsturzplänen wie bunten Revolutionen und Staatsstreichen (Ucraina docet!). Nicht vergessen wird schliesslich, dass die Freiheit des Europarats – und dies hat der Abgeordnete Pamini als braver klassischer Liberaler zu recht zugegeben – vor allem eine Freiheit der Wirtschaft, der Märkte und der kapitalistischen Globalisierung ist, der ich als Marxist selbstverständlich kritisch gegenüber stehe.
Kurz gesagt: es ist nicht alles rosig und blumig, und ich glaube, es wäre korrekt, dass solche Dinge in einer parlamentarischen Debatte zur Sprache kommen. Ansonsten wird man schliesslich dabei landen, dass man von einem Stück Stoff spricht, anstatt von seinem Inhalt und dem, was eine Sache mit sich bringt.
Quelle (Original ital.): Il Consiglio d’Europa: non è tutto oro quello che luccica! (28 maggio 2017) | Übersetzung: kommunisten.ch” (01.06.2017)