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Geschmacklos und mehr

von Siro Torresan


(aus dem «Vorwärts») – Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BVS) hat anfangs November eine Kampagne lanciert, die auf viel Kritik stösst. Sie vermittelt die Botschaft, dass behinderte Menschen anders und trotzdem als Arbeitskraft verwertbar sind.

Kaum zu glauben: Das Bundesamt steckt dahinter

«Behinderte liegen uns nur auf der Tasche», «Behinderte sind dauernd krank», «Behinderte kosten uns nur Geld» und «Behinderte arbeiten nie 100%». Diese Slogans sind seit anfangs November auf Werbeplakaten zu lesen. Man hat grosse Mühe es zu glauben, aber es ist die Kampagne des Bundesamt für Sozialversicherungen (BVS). «Die Kampagne ist Teil eines auf mehrere Jahre angelegten Bündels von Sensibilisierungs- und Informationsmassnahmen, die den Wandel der IV von der Renten- zur Eingliederungsversicherung unterstützen», ist auf der Webseite des BSV zu lesen. Sicher, zu den mit grossen Buchstaben geschriebenen Slogans folgt auf dem Plakat klein geschrieben ein Zusatz, so quasi die Auflösung. Beispiel: «Behinderte sind dauernd krank… und trotzdem morgens die Ersten im Büro». Doch der Zusatz ist so klein, dass man ihn fast mit der Lupe suchen muss. Es ist doch bekannt, dass von der Werbung immer der Hauptslogan im Kopf hängen bleibt. Die Folge ist, dass durch die Kampagne die Vorurteile in der Gesellschaft, die so plakativ angesprochen werden, bestätigt und vor allem gefestigt werden. Zumindest besteht das grosse Risiko dazu, was gravierend genung ist.

Stopp der Kampagne gefordert

Die Kampagne löste sofort Reaktionen aus. Der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) verurteilt die Plakate: «Die plakatierten Sprüche sind nicht nur bis an die Grenze des Vertretbaren gegangen, sondern haben diese Grenze überschritten und viele behinderte Menschen verletzt», schreibt der SBV in seiner Medienmitteilung. Und: «Für uns bleibt es unverständlich, wieso in der Vorbereitung der Kampagne nicht mindestens das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) mit einbezogen wurde».

Aber zum gravierenden Kommunikationsfehler kommt ein grundsätzliches Problem dazu: Die Botschaft des BSV ist die Folgende: Behinderte Menschen sind anders, aber gut und nützlich. Nun, für die Partei der Arbeit (PdA) sind behinderte Menschen nicht anders als wir, die am Morgen – so wie wir ohne Behinderung – mit mehr oder weniger Lust aufstehen um zur Arbeit zu gehen. Die Kampagne «kommerzialisiert» die behinderten Menschen, sie sagt, dass diese Menschen auch eine für die Wirtschaft «verwertbare Arbeitskraft» darstellen. Viel mehr sollte die Kampagne aber gegen die Vorurteile in der Bevölkerung gerichtet sein um eine echte gesellschaftliche Integration zu ermöglichen. Dies in einer Gesellschaft, die immer mehr Menschen ausschliesst. Und, dass jetzt wegen der Kampagne über die Arbeitsintegration der Behinderten gesprochen wird, ist längerfristig gesehen nur ein kleiner, schnell vergessener Trost.

Quelle: «Vorwärts» – Die Sozialistische Zeitung, Sonderausgabe November 2009


Externer Link: Vorwärts-Online

Die Sonderausgabe des «Vorwärts» zur PdA-Kampagne gegen den Sozialabbau, November 2009, kann hier als PDF, 540 KB) heruntergeladen werden:
«Vorwärts» - Den Sozialstaat retten


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