Verträge über 5100 Franken, tatsächlicher Monatslohn 600 Euro!
14. Mai 2007
Die Kontrolle tschechischer Monteure auf einer Baustelle der SVP-nahen Fenaco bringt Skandalöses ans Licht. Sie müssen einem leid tun, die elf tschechischen Arbeiter, die wortwörtlich wie begossene Pudel zwischen Pfützen im Nieselregen stehen, in einer fundamentierten Baugrube. Hinter ihnen ragt ein riesiges Stahlgerüst in den Himmel, ihr Werk, das sie in einem Monat errichtet haben. Bis im August soll die Erweiterung des Landi- Hauptlagers im bernischen Dotzigen fertig sein. Doch an diesem Dienstagmorgen ruht die Arbeit. Vor den elf Büezern steht Unia- Gewerkschafter Corrado Pardini, Vizepräsident der Berner Arbeitsmarktkommission, ringsum sechs Kontrolleure, zwei Kantonspolizisten und ein Tross Medienleute. Ein Dolmetscher übersetzt Pardinis Worte: «Ihr seid in die Schweiz gekommen, um zu arbeiten, und das ist gut so.» Die Kontrolle richte sich nicht gegen sie, sondern man wolle «dafür sorgen, dass ihr die gleichen Löhne erhaltet wie Schweizer Arbeiter». (Quelle: workzeitung.ch)
700 FRANKEN LOHN Denn die Kontrolle findet auf begründeten Verdacht hin statt: Schon vor drei Wochen fand hier eine Arbeitsmarktkontrolle statt, bei der einer der ausgebildeten Tschechen aussagte, er verdiene 12 Franken in der Stunde – allerdings wollte er davon nichts mehr wissen, als der Vorarbeiter auftauchte. Darum jetzt das Grossaufgebot, die Absonderung der Tschechen in kleinen Grüppchen, das Verbot, noch rasch den Chef anzurufen. Und der Verdacht bestätigt sich: Alle elf geben gegenüber den Kontrolleuren an, umgerechnet zwischen 700 und 1200 Franken zu verdienen. Wie erklären sie dann die Verträge, die sie unterschrieben haben und die ihnen Monatslöhne von 5100 Franken zusichern, wie sie dem Landesmantelvertrag (LMV) auf dem Bau entsprechen? Er habe in Tschechien einen Blankovertrag unterschrieben, sagt Pavel, der seinen Nachnamen nicht nennen will. Jan (auch er findet, der Nachname tue nichts zur Sache) sagt, ihm sei beim Unterschreiben in Tschechien gesagt worden, er werde 600 Euro verdienen, müsse aber den Vertrag über 5100 Franken unterschreiben, sonst gebe es gar keine Arbeit. Gewerkschafter Pardini ist empört: «Mit diesen Verträgen wurden sowohl die tschechischen Arbeiter betrogen wie das Berner Amt für Wirtschaft, das solche Arbeitseinsätze bewilligen muss.» Georg Reichmuth hingegen, Chef der Firma SSI Schäfer, die die Tschechen beschäftigt, spricht von einem «Sturm im Wasserglas. Zu den Grundlöhnen von rund 600 Euro kommen noch Landeszulagen von 50 Euro pro Tag und weitere Zulagen. Wir zahlen die vertraglich festgehaltenen 5100 Franken.» Dem widerspricht Arbeitsmarktkontrolleur Stefan Hirt heftig: «Der LMV schreibt für Gelernte einen minimalen Bruttolohn von 5091 Franken vor, basta! Zulagen und Spesen sind kein Lohnbestandteil.» Pardini weiss: Es ist nicht das erste Mal, dass auf der Baustelle einer Unternehmung der landwirtschaftlichen Genossenschaft Fenaco (siehe Kasten) Dumpinglöhne festgestellt werden. Letzten Juli waren beim Neubau eines Kartoffellagers im bernischen Bargen Monatslöhne von 425 Euro protokolliert worden. Und im März 2006 gab ein Arbeiter beim Bau einer Zelthalle für die Landi in Dotzigen einen Stundenlohn von 9 Euro an. Zwar ist die Bauherrin juristisch nicht für diese Dumpinglöhne verantwortlich, «aber es besteht eine politische und moralische Verantwortung der Fenaco, dafür zu sorgen, dass auf ihren Baustellen korrekte Löhne gezahlt werden».
AUSGERECHNET DIE SVP Dem widerspricht ein aufgebrachter Landi-Chef Heinz Wälti: «Wir haben mit Generalunternehmern Verträge abgeschlossen, die eine Beschäftigung nach schweizerischem Recht vorsehen. Wir verurteilen Lohndumping und werden härteste Massnahmen ergreifen, falls sich dieser Verdacht bestätigen sollte. Aber weder Landi noch Fenaco sind für die Löhne auf diesen Baustellen verantwortlich. Und schon gar nicht die SVP, die nichts mit der Fenaco zu tun hat.» Das allerdings ist sehr frei interpretiert. Denn im Fenaco- Verwaltungsrat sitzen SVP-Fraktionschef Caspar Baader und SVP-Nationalrat Guy Parmelin; der bernische SVP-Politiker Lienhard Marschall präsidiert ihn. Der Filz zwischen Landwirtschaft, SVP und Fenaco hat im Kanton Bern Tradition. Doch weder Baader noch SVP-Präsident Ueli Maurer, bis letzten Sommer Fenaco-Verwaltungsrat, wollen den Widerspruch zwischen dem Nein zur Personenfreizügigkeit und den Dumpinglöhnen auf Fenaco- Baustellen kommentieren. Gerade das bringt Unia- Mann Pardini besonders in Rage: «Einerseits macht die SVP Stimmung gegen Arbeitnehmende aus den neuen EU-Ländern und macht den Schweizer Arbeitern Angst vor der Personenfreizügigkeit. Andererseits beutet die mit der SVP verfilzte Fenaco auf ihren Baustellen Tschechen zu Dumpinglöhnen aus – das ist billigste Doppelmoral! » Pardini fordert nun eine straffere Kontrolle durch das Staatssekretariat für Wirtschaft und eine Solidarhaftung der Bauherrschaft für die Arbeitsbedingungen auf ihren Baustellen.
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