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Marsch auf Bern: SVP abgezottelt

Kurz vor den eidgenössischen Wahlen wollte die “Schweizerische Volkspartei” (SVP) am 6. Oktober mit einer Heerschau in Bern demonstrieren.

An der Spitze des Umzugs sollten ihr Bundesrat Blocher, Parteichef Maurer und ein Ziegenbock namens Zottel schreiten. Ein Tiefenpsychologe mag ergründen, was die SVP mit den Paarhufern hat. Auch das SVP-Wahlplakat zeigt Schafe. Sie sind weiss und dabei, ein schwarzes mit Huftritten zu vertreiben. Vielerorts herrscht Wut über die rassistische Rhetorik und Bildsprache der SVP. In Zürich hat die Partei der Arbeit (PdA) Strafklage wegen Verletzung der Antirassismus-Norm (StGB Art. 261bis) gegen die Verantwortlichen des Plakats eingereicht. Die PdA Bern hat die rotgrüne Stadtregierung der Bundesstadt aufgefordert, das SVP-Plakat politisch zu verurteilen, wie dies die Genfer Stadtbehörden schon getan haben.

Ein Komitee unter dem Namen “Das schwarze Schaf” konterte die Ansage des SVP-Auftritts in Bern mit einem Aufruf an die Bevölkerung, am gleichen Samstagnachmittag zum antirassistischen Volksfest zu erscheinen. Für diesen Gegenanlass verweigerte der Polizeidirektor die behördliche Bewilligung. Die SP befand es in der Folge für richtig, sich vorsorglich vom Fest zu distanzieren. Dessen ungeachtet und trotz einiger polizeilicher Behinderungen, haben sich etwa 5000 Berner und Bernerinnen eingefunden und ihr Fest programmgemäss abgehalten.

In der unteren Altstadt formierten sich zur gleichen Zeit weitere Massen von Empörten in allen Gassen, um den unwillkommenen Besuchern entgegen zu schreiten und einen Spiessrutenlauf zu bereiten. Etliche trugen papierene Schafmasken und wollten den SVP-Umzug mit Geblöke empfangen. Nicht wenige krempelten die Örmel hoch, um der SVP den Weg für den geplanten Triumphzug zu verstellen. Die Polizei spricht diesbezüglich von einigen Hundert Vermummten und hat noch mindestens zwei weitere aktive Gruppen ausgemacht. Eine der beiden sei vor dem Zeitglockenturm im Stadtzentrum in Aktion getreten und soll eine Zeitlang auch die polizeilichen Einsatzkräfte gebunden haben, die eigentlich zur Bewachung des Bundesplatzes dienen sollten. Durch deren Abzug vom Bundesplatz blieb dann der Aufbau der Festbühne unbewacht, was die zweite Gruppe (im Originalton: “ein Pulk von 100 Chaoten”) zur Gelegenheit nahm, um unbehelligt die Installationen für dort geplante Abschlusskundgebung der SVP unbrauchbar zu machen.

Bei der SVP muss in dieser aussichtslosen Lage der Entschluss gereift sein, unverrichteter Dinge von Bern abzuzotteln. Da es kein Durchkommen in die Innenstadt gab, drehte der Tross eine Ehrenrunde auf und wurde nach kurzen Ansprachen der Oberhäupter wieder von dort an den Besammlungsplatz verabschiedet. Das Fassungsvermögen dieses Klösterlistutzes liegt weit unterhalb der “gegen 10’000” Personen, welche nach Polizeiangaben am SVP-Anlass teilgenommen haben sollen. Wenn die Polizeischilderung glaubwürdig ist, müssen sich also in kurzer Zeit Tausende zerstreut haben. Die wirkliche Kräftekonstellation, an welcher die SVP-Strategen nicht vorbei kamen, war durch verschiedene Merkmale geprägt. Erstens durch ein deutliches zahlenmäÖiges Übergewicht des antirassistischen Lagers. Zweitens dadurch, dass dieses Lager sich durch spontanen Zulauf von Passanten und Anwohnern ständig verstärkte. Drittens durch die offensichtliche taktische Überlegenheit dieses Lagers, das nach einhelliger Einschätzung die Polizei ausgetrickst hat. Auch Polizeikommandant Gabi anerkannte dieses Vorgehen als “beste Guerillamanier”. Die SVP-Gegner zeichneten sich durch eine hohe Wendigkeit und Fähigkeit aus, durch elastischen Vorstoss und Rückzug auf jede Neubeurteilung der Lage einzugehen. Kleine und grössere Gruppen von findigen Leuten, die von ihrem eigenen Verstand Gebrauch machen, anstatt auf Kommandos von Leithammeln zu hören, sind da wohl im Vorteil. Umso mehr, wenn sie von den Sympathien breiter Bevölkerungskreise getragen werden. “Da hat die SVP geerntet, was sie gesät hat.” Wenn man einen solchen Spruch schon von Polizeibeamten hört, so kann man sich wohl ausrechnen, auf welche grosse Unterstützung die SVP-Gegner im Notfall erst recht beim Personal der Berner Cafes und Hotels zählte, denn dieses setzt sich aus schwarzen Schafen aller Länder zusammen.

Verschiedene Parteien haben sich im Nachgang zu den Berner Ereignissen geäussert. Das “Schwarze Schaf” kündigte an, dass “die SVP mit ihren fremdenfeindlichen Plakatkampagnen, ihrem Blocher-Personenkult und den regelmässigen Angriffen auf demokratische Grundprinzipien … auch in Zukunft mit massivem Widerstand rechnen” muss. Ähnlich wie der zitierte Polizeibeamte schreibt die Homepage der PdA Schweiz: “Die SVP bekommt jetzt endlich den antifaschistischen und antirassistischen Widerstand der Massen zu spüren. SP und Grüne verschiedener Abstufung einschliesslich ihrer Jugendableger lassen indessen verlauten, dass sie sich vom Widerstand in bestimmten oder allen Formen desolidarisieren. Einige wollen nun befürchten, dass die SVP ihre Berner Niederlage in einen Wählerzulauf ummünzen werde. Derartige Befürchtungen von SP und Basisgrünen sind nachvollziehbar. Durch ihre Halbherzigkeit und Unentschlossenheit im Kampf gegen rechts haben sich diese Parteien wenig Punkte eintragen. Einige greifen nun den Berner Stadtrat Daniel Jenni an, der namens des Festkomitees die ergebnislosen Verhandlungen mit Polizeidirektor die Bewilligung des antifaschistischen Volksfestes geführt atte. Jenni kandidiert an der Spitze der grünalternativen Liste GRAL für den Berner Nationalratssitz. Diese Liste wird auch von der PdA unterstützt.

Die politische Bilanz dieser Niederlage der SVP kann nicht in Stimmprozenten gewogen werden. Der magere Zulauf ist an sich schon eine Blamage für die SVP. Bei fairer Schätzung müsste sie zeitweilig an die 5000 herangekommen sein. Das wären dann immer noch 1000 weniger, als die Zahl allein genommen der Portugiesen an der jüngsten Bauarbeiterdemo in Zürich. Seit Jahren schleudert nun die SVP mit Provokationen um sich und vergiftet den Frieden im Lande. Schon in den 90er Jahren kam es zu Serien von verbrecherischen Anschlägen gegen Asylheime. Immer wieder werden Immigranten tätlich angegriffen. Viele Berner haben es offenbar an der Zeit gefunden, diesem Treiben die Stirne zu bieten. Im Vergleich mit Ziegenböcken wird dem Berner Bär nachgesagt, er sei ein ausgesprochen bedächtiges Tier. Aber wehe, wenn er bis zum Punkt gereizt wird, wo sein Geduldfaden reisst. Der Ausgang des Kräftemessens von Bern wird den Mut zum Widerstand gegen den Rassismus stärken. Aufatmen und Erleichterung herrscht auch bei Immigranten.

Die SVP wird ihre Niederlage allerdings gut verkraften können, wenn das demokratische linke Lager in der Schweiz seine Hauptschwächenen nicht beendet. Der Höhenflug der SVP gründet nicht zuletzt auf solchen “linken” Schwächen wie einem blinden Antipatriotismus, der in unterschiedlichen Formen in den meisten linken Parteien und Gruppen auftritt. Wer bereit ist, den EU-Diktaten ernsthaft entgegen zu treten, verfügt heute über ein wachsendes Kräftereservoir, denn er vertritt schlicht die Interessen des Landes und seiner Bevölkerung. Solange sich die SVP vielerorts diese Rolle als einzige Partei und unangefochten anmassen kann, ist ihr Erfolg nicht zu brechen, sondern entspricht der natürlichen Dynamik, denn die Stärkung der SVP erhält den Anschein einer Stärkung des Landes.

Die SVP wendet sich in ihrer Massenpropaganda gezielt an Leute in allzu bescheidenen Verhältnissen, und will deren wachsende Unzufriedenheit über die Verschlechterung ihrer Lebenslage gegen jene Bevölkerungsgruppen lenken, denen es noch schlechter geht. Die Ausländerfeindlichkeit soll dann von Fall zu Fall reaktiviert werden. Etwa auf die Weise, dass eine Gesetzesvorlage mit besserem Mutterschutz durch die Behauptung zu Fall gebracht wird, dass der Mutterschutz eine Zahlung von Schweizern (Müttern, Altersrentnern … ) an Ausländerinnen bedeute, die womöglich gerade einen Drogenhändler, Messerstecher und Taliban gebären wollten. Auf die heurigen Wahlen hin wurde auch die altbekannte Figur des Sozialmissbrauchs in dieser Weise hochstilisiert. Viele Linke tun sich schwer zu erkennen, dass auch die Frage der Immigration letzten Endes eine Klassenfrage ist. Wer das unterschlägt, wird seinen Kampf gegen die SVP zu einseitig mit ethischen, juristischen und anderen dem Überbau zugehörigen Betrachtungen führen, die wenig hilfreich sind, um die vom Standpunkt des Prolatariats höchst wichtigen ökonomischen Fragen zur Migration zu beantworten. Dieser verbreitete Mangel ermöglicht der Bourgeoisie ein bequemes Spiel. Sie heizt den gegenseitigen Futterneid zwischen den Nationalitäten an und schlachtet jeden bereits eingefahrenen Gewinn aus Lohndumping noch ein zweites Mal auf der politischen Ebene aus.

Vor vier Jahren war SVP-Chef Blocher zum Bundesrat gewählt worden. Mit seiner Wahl, so behaupteten einige von Blochers “Widersachern” im Parlament, werde es gelingen, die rechtslastige SVP besser einzubinden. Zu ihrer Ernüchterung aller, die diesem raffinierten Plan Glauben schenkten, hat Justizminister Blocher sein Amt vier Jahre lang ausgenützt, um den scharfen Rechtskurs weiter zuzuspitzen. Wie bei früheren Kampagnen, wo Ausländer als Messerstecher dargestellt wurden, wirbt die SVP auch für die anstehenden Nationalratswahlen offen rassistisch. Deren Parteispitzen fordern, dass der verbotene Rassismus wieder zugelassen wird. Sogar unter eingebürgerten Schweizern kommt die Frage auf, ob die SVP nächstens fordert, dass ihnen den Schweizer Pass wieder abgenommen wird. Auf Antrag von Blocher wurden schon eine Reihe von althergebrachten und wohlerworbenen Rechten der Immigranten aus dem Gesetz gestrichen.

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