Der einzige Weg für die Zukunft des Planeten
Von Milo Cavadini (*)
Im Westen, wenn von nachahmenswerten Modellen der Umweltpolitik die Rede ist, denkt man sogleich an die Sozialdemokratie der skandinavischen Länder, Islands oder Deutschlands. Nur wenige wagen es, eine politische Linie zu unterstützen, welche den freien Markt ausschliesst, aber dieser Weg (der Weg des Kollektivismus und der Planung) ist der einzige, um innert befristeter Zeit grosse Resultate auf dem Gebiet der Umwelt zu erreichen.
Für viele Personen ist eine höhere Besteuerung auf den fossilen Brennstoffen oder auf Fleisch und Fleischprodukten, vereint mit Anreizen an umweltfreundliche Betriebe, der beste – wenn nicht die einzige – mögliche Weg. Vom Standpunkt der vollumfänglichen Akzeptanz des Kapitalismus scheint dies der Weg zu sein; das Problem ist jedoch, dass diese Politiken direkt die Ruhe der Volksmassen angreifen, die sich bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden und diese Opfer nur schwerlich akzeptieren (die Reaktion der französischen Gilets Jaunes auf die Erhöhung der Steuer auf Brennstoffen verwundert nicht).
Ausserhalb der Marktlogik, durch Planung der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, könnte man dagegen eine massive Reduktion der Auswirkungen auf die Umwelt erreichen, und dies ohne nachteilige Folgen für die weniger begüterten Schichten. Das scheint in den Augen der meisten utopisch. Aber das Modell existiert bereits, in einem kleinen Staat über dem 38. Breitengrad, auf einer Halbinsel zwischen Russland, China und Japan. Richtig, ich spreche von der Demokratischen Volksrepublik Korea. Dieses Land verfolgt in der Tat eine strikte ökologische Politik zu Gunsten der Umwelt des koreanischen Volkes und der ganzen Welt.
Obwohl sie keinen einfachen geschichtlichen Weg hatte (erinnern wir uns an die vierzig Jahre unter japanischer Besetzung seit den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, den 1953 beendeten Koreakrieg und das gegenwärtige Embargo – das weltweit schärfste – seitens der Westmächte), hat die DVRK dank einer Politik der Unabhängigkeit und Autonomie überlebt. In der Tat hat die Juche, eine Ideologie, welche die marxistisch-leninistische politische Philosophie des Sozialismus in einem Lande interpretiert und darauf zielt, die politische Unabhängigkeit, die wirtschaftliche Selbstversorgung und Autonomie in der Verteidigung zu erreichen. Auf gesellschaftlicher Ebene lässt sich die Juche im Konzept der monolithischen Einheit zusammenfassen; gemeint ist ein komplexes System von Beziehungen zwischen Individuen und Staat, welches die Überwindung der Spaltung zwischen beiden Subjekten anstrebt. Der Einzelne handelt also als Teil eines Ganzen und für das Interesse des Ganzen, dessen integrierender Bestandteil und unverzichtbares konstituierendes Element er bildet. Diese besondere Lebensauffassung erlaubt es, Sinn und Befriedigung ausschliesslich in der Zusammenarbeit für das gemeinsame Wohl zu finden, indem sie vermeidet, dem Individualismus und Egoismus zu verfallen: der schlimmsten Verirrung des Westens. Eine Analyse des Überbaus in Korea ist grundlegend, um nicht zu sterilen Kritiken gegen ein Regime herabzusinken, das man nicht kennt.
Zurück zum Umweltaspekt: Nordkorea strebt die Souveränität der Energieversorgung an, um nicht in Abhängigkeit und Verpflichtung gegenüber anderen Mächten geraten zu müssen. An zweite Stelle gerückt ist letztes Jahr die militärische Verteidigungspolitik (Songun), die als notwendig gilt, um die westliche Bedrohung zu überleben und unabhängig zu bleiben, während die DVRK nun alle Aufmerksamkeit auf das Erziehungssystem und auf die technische und technologische Entwicklung richtet. Nicht, dass man in diesen Jahren nichts in diesem Sinne getan hätte: seit den ersten Jahren nach der Befreiung konzentrierte Präsident Kim Il Sung alle Aufmerksamkeit auf die Jugend, indem er deren Bedürfnisse und Aussichten im Bewusstsein analysierte, dass sie die Zukunft der Nation in reinster Form darstellt. Es war gerade die jugendliche Avantgarde, die die Planung und Errichtung eines weitläufigen Komplexes von Kanalisationen und Wasserkraftwerken übernahm. In wenigen Jahren erschienen bereits drei Staudämme (auf einer Höhe von 3000 Metern), welche den Energiebedarf von einigen Gebieten im Land abzudecken vermochten. Diesen Pionierprojekten stellten sich weitere mehr zur Seite zur Nutzung der Wind-, Solar- und geothermischen Energie. Wer Nordkorea besucht, kann unmöglich die grosse Anzahl der Windräder auf den Hügeln und Sonnen-Kollektoren auf den Gebäuden übersehen, allesamt vom Staat errichtet. Ein Staat, der sich, über das kostenlose Angebot von Energie , Wohnung, Bildung, Gesundheit, Teil der Bekleidung, den Grundnahrungsmitteln und einem Gehalt für Freizeit hinaus, auch damit beschäftigt, die Umwelt angenehm, gesund und ästhetisch ansprechend zu machen. Interessant ist zu beobachten, wie es Korea, entschieden ärmer als die Schweiz, gelingt, in rascher und effizienter Weise im Interesse seiner Bevölkerung der Umwelt zu handeln, indem es Orte wie Strassen, U-Bahnen, Parks und Gebäude behaglich gestaltet, so dass man erholsame Momente in Gesellschaft teilen kann. Der Privatverkehr in Pjöngjang und Umgebung liegt praktisch bei null, der Staat liefert die Mittel des öffentlichen Verkehrs wie Bus, e-Bike, und U-Bahn spottbillig (wenige Rappen im Tag). Abgesehen von der damit verringerten Feinstoffbelastung befreit dies die Bürger vor Belästigungen durch Lärmimmissionen. Ausserdem ist es sehr gemütlich, eine Stadt zu besuchen, wo die einzigen Werbeplakate, die sich finden lassen, für Elektromobile sind.
Ich wünsche mir, die Schweiz könne von diesen Umweltpolitiken nicht nur einen Denkanstoss nehmen, sondern auch einen ernsthaften Dialog mit der koreanischen Volksrepublik eingehen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, von heute auf morgen zu einer Neubewertung eines so zu Unrecht kritisierten Landes zu gelangen, aber ich denke, es ist der Mühe wert, über die antikommunistische Propaganda hinaus zu blicken und zu versuchen, eine punktuelle Zusammenarbeit aufzubauen, um dem Problem der Erderwärmung zu begegnen.
(*) Milo Cavadini ist Mitglied des Koordinationsauschusses der Schweizerischen Kommunistischen Jugend, Jugendbewegung der Kommunistischen Partei (Schweiz).
Quelle (ital. Original): L’unica via per il futuro del pianeta, di Milo Cavadini. In: #politicanuova, quadrimestrale marxista della Svizzera italiana, nr. 13, ottobre 2019. | Übersetzung: kommunisten.ch (05.11.2019).