kommunisten.ch

kommunisten.ch

Mit Kurt Gossweiler ist einer der bedeutendsten Antifaschisten Europas gestorben

Aus sinistra.ch (21. Mai) – Der marxistisch-leninistische deutsche Historiker Kurt Gossweiler ist am letzten Mittwoch im Alter von 99 Jahren verstorben. In Stuttgart im Schicksalsmonat November 1917, zwei Tage vor dem Sturm auf das Winterpalais geboren und in einer kommunistischen Familie aufgewachsen, begab er sich in jungen Jahren nach Berlin, wo er 1934 dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) beitrat und am Untergrundkampf gegen den Faschismus teilnahm. Nach Universitätsstudien wurde er 1939 für den Polenfeldzug eingezogen und 1941 erneut an die Ostfront verlegt, wo er 1943 Gelegenheit zur Desertation aus der Wehrmacht fand und sich zur Roten Armee durchschlug.

Nach Rückkehr in die Deutsche Demokratische Republik (DDR) widmete er sich zuerst an der Humboldt-Universität dem Studium der deutschen Zeitgeschichte, wobei er die Frage des Faschismus und der Anteil des Monopolkapitals an dessen Machtergreifung in den Brennpunkt stellte. Von 1970 bis 1983 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin (Ost) tätig. Er war Mitglied in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der staatstragenden Partei der DDR, und behielt die Mitgliedschaft in der SED-Nachfolgerin, der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) bis 2001 aufrecht, aber lehnte es später ab, in “Die Linke” überzutreten, indem er am Marxismus-Leninismus festhielt.

In dieser Periode erschienen zahlreiche der bedeutendsten Publikationen des Autors, von denen einige in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Im italienischen Sprachraum ist Gossweiler in erster Linie durch die von Adriana Chiaia besorgte Edition des Buches “La (ir)resistibile ascesa al potere di Hitler” bekannt geworden. Es handelt sich um eine Auswahl von Artikeln und Vorträgen, die auf der in der DDR erschienenen Sammlung “Aufsätze zum Faschismus” (Berlin 1986) beruht, worin die führende Rolle des Grosskapitals beim Aufstieg des Faschismus dokumentiert wird. Die Edition von Adriana Chiaia geht zurück auf die französische Ausgabe der Partei der Arbeit Belgiens (“Hitler – l’irresistible Ascension? Essais sur le fascisme.”), die ebenfalls der portugiesischen Version (“Hitler: ascensão irresistível? Ensaios sobre o fascismo”) zugrundeliegt, welche 2009 bei Edições «Avante!», dem Verlag der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) herauskam.

Neben dem Forschungsgebiet des Faschismus, und nach dem Verschwinden des realen Sozialismus in Europa, verlagerte Gossweiler sein Interesse auf die Frage des Niedergangs der Sowjetunion und arbeitete die Rolle des ideologischen Revisionismus als entscheidende Waffe im Prozess heraus, der Ende der 80er Jahre mit dem Sieg der Konterrevolution endete. Auch dieser Teil des Werkes von Gossweiler verdient Beachtung und erfährt sie auch auf internationaler Ebene, wo seine Untersuchungen die Fundamente zu einem wissenschaftlichen Herangehen an die sogenannte “Niederlagenanalyse” gelegt haben.

Quelle (Original ital.): E’ morto a 99 anni Kurt Gossweiler, uno fra i più rigorosi anti-fascisti europei (sinistra.ch, 21 maggio 2017) | Leicht gekürzte Übersetzung: kommunisten.ch (22.05.2017).


Siehe auch:

Kurt Gossweiler: Betrachtungen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag von 1939

Kurt Gossweiler: Zur Rolle Stalins und zum Anteil des Chruschtschow-Revisionismus an der Zerstörung der Sowjetunion (PDF)


Externer Link: Kurt Gossweiler – Politisches Archiv


Zum Seitenanfang