Lang lang ist ‘s her, dass der Wucher noch für eine Todsünde erachtet wurde… Vielleicht deswegen, oder weil der offerierte Zins für die Spareinlagen “über 5%” lag – wer will das wissen? – jedenfalls erwischte es beim isländischen Bankrott auch die Fábrica do Santuário de Fátima, das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Fátima. Gottes Strafe oder natürliche Folge der kapitalistischen Gewinnsucht?
Filipe Diniz: Finanzen und Wunder
Aus dem «Avante!» (Zentralorgan der Portugiesischen Kommunistischen Partei): – Es ist bekannt, dass sich eines der Epizentren der aktuellen Krise des Kapitalismus im Bankrott grosser Banken befand. Drei davon sind isländisch und als sie in Konkurs fielen, betrug die Summe ihren Schulden das Sechsfache des Brutto-Inlandprodukts (BIP) jenes Landes.
Island galt 2007 als «Wunder». “ Im Jahre 2009 fiel es in Bankrott. Mit dem Ausbruch der Krise stürzte die Regierung, und wurde durch eine andere ersetzt, die in den Medien als Regierung «der Linken» begrüsst wurde (eine Koalition von Sozialdemokraten und Grünen).
Diese Regierung «der Linken» handelte mit den internationalen Gläubigern dieser Banken eine Vereinbarung aus, wie es zu erwarten war («Icesafe»-Gesetz): die Sozialisierung der Verluste. Der isländische Steuerzahler hätte danach in den kommenden 15 Jahren den Gegenwert von 2/3 des BIP plus 5,5% Zinsen aufbringen müssen.
Nun ergibt es sich, dass das isländische Volk sich in einem Referendum über diesen Vertrag aussprechen konnte und ihn mit 93% der Stimmen abgelehnt hat.
Die «Icesave»-Spareinlagen boten Zinsen über 5% und die Bank Kaupthing gewährte ähnliche Konditionen. Kein Wunder, dass sie Anleger aus aller Welt angelockt haben. Die Site WikiLeaks1 veröffentlichte nun eine Liste (so vertraulich, dass die Gegenseite mit allen Mitteln versucht hat, die Publikation zu verhindern) von Gläubigern der Bank Kaupthing mit über 28’000 Namen. Von Grossbanken und Grossunternehmen über Pensionskassen und öffentliche Korporationen (englischen und holländischen Gemeinden) bis zu individuellen Anlegern ist diese Liste ausgesprochen aufschlussreich. Und einer der interessantesten Aspekte ergibt sich aus der Weise, in welcher diese Liste die Rolle derartiger finanzieller Spekulations-Operationen im Prozess der internationalen Zentralisierung des Kapitals veranschaulicht.
Sie sammelten Investoren verschiedener Dimensionen, aber allein die grossen Gruppen konzentrierten die Vorteile und Profite, wie dies bei der Bauger-Gruppe der Fall war, Eigentümerin von halb Island, die in Grossbritannien unter dem Titel von Anleihen 330 Milliarden isländische Kronen investierte, und die jetzt von Serious Fraud Office untersucht wird (zufällig von der gleichen Stelle, die auch den Freeport-Prozess untersuchte).
Unter den Gläubigern der nun veröffentlichten Liste befinden sich auch religiöse Institutionen: Die Karmeliterinnen vom Heiligen Herz und das Heiligtum von Fátima. Wenn sie vorsichtiger gewesen wären, so wüssten sie, dass sich in der Bibel zwar Wunder der Vermehrung finden können, dass aber – wenn es sich um das finanzielle Universum des Kapitalismus handelt – , man mit Vorteil Marx zu Rate zieht.
Quelle/Original (port.): A finança e os milagres («Avante!», Nº.1895, 25-03-2010)
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1 Wikileaks.org (von engl.: leaks = Lecks) ist ein Internetportal, welches anonyme Zusendungen von Dokumenten von Regierungen und anderen Organisationen veröffentlicht. Der Server befindet sich in Australien.
Siehe auch:
- Das dritte Geheimnis von Fatima: Antikommunismus
- Dossier Kapitalistische Krise
- Weitere Artikel aus dem Avante (Zentralorgan der Portugiesischen Kommunistischen Partei PCP)