'Findelkinder' aus Guantánamo – nach Europa?
Vorbemerkung: Im Beitrag Zum Angebot betr. Aufnahme von Gefangenen aus Guantánamo wurde der Versuch der amerikanischen Regierung dargestellt, mit dem Problem Guantánamo auf elegante Weise fertig zu werden. Die Gefangenen sollen aus dem Blickfeld der US-Bevölkerung verschwinden. Und die Gerichte der USA sollen vor Entschädigungs- und weiteren Ansprüchen der illegal Entführten, jahrelang widerrechtlich in Gefangenschaft gehaltenen und in Guantanamo systematisch Gefolterten verschont werden. Die europäischen Regierungen, die dieses Spiel mitmachen wollen, kommen in Verlegenheit wegen der verwickelten Rechtsstellung, welche den übernommenen Guantanamo-Gefangenen zukommen soll. Wie der folgende Kommentar meint, tun die Regierungen so, als handle es sich um Findelkinder, von denen niemand etwas weiss.
–Findelkinder– aus Guantanamo – nach Europa?
Gesagt – getan: Barack Obama schlieÖt das schrecklichste amerikanische Gefangenenlager auf dem US-Stützpunkt in Guantanamo. Die europäischen Massenmedien heben dieses Ereignis als einen Akt des lang ersehnten Humanismus hervor. Das einzige, was dieses Ereignis überschattet, ist die Frage: Wohin mit den ohne Schuld schuldigen Gefangenen, die dort ohne eine Untersuchung ihres Falles und ohne jedes Gerichtsurteil festgehalten werden? Ein Kommentar der «Stimme Russlands» von Sergej Guk.
Knapp 800 Gefangene waren seit 2001 in Guantanamo hinter Stacheldraht Misshandlungen und Demütigungen ausgesetzt. Nach den Angaben der österreichischen Zeitung –Presse– wurden über 500 Personen freigelassen. Selbst die Folterknechte aus der CIA und dem Pentagon mussten sich von deren voller Schuldlosigkeit überzeugen. Fünf Gefangene sind verstorben. Unter den dort noch festgehaltenen Personen haben 60 bis 80 das Zeichen der –Reinigung– bekommen. Das heiÖt, es wurde zugegeben, dass man sie fälschlicherweise festgenommen habe. Diese Leute müssen irgendwo untergebracht werden. Die anderen, weniger glücklichen Mitinsassen will man auf amerikanische Gefängnisse verteilen.
Offiziell haben sich die USA noch nicht mit der Bitte an ihre europäischen Bündnispartner gewandt, –Findelkinder– bei sich aufzunehmen. Aber wie üblich beeilten sich diese Bündnispartner, dem Wunsch ihres Beschützers zuvorzukommen, wenn auch mit Vorbehalt. Ein typisches Beispiel für politischen Dualismus ist die Erklärung des Hohen Vertreters für die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der EU Javier Solana. Im ersten Teil sagt er: –Das ist ein amerikanisches Problem, das von den Amerikanern gelöst werden muss.– Das ist klar. Aber dann sagt er im zweiten Teil: –Aber wir sind nötigenfalls zur Hilfe bereit.– Der Gerechtigkeit halber muss erwähnt werden, dass bei weitem nicht alle bereit sind. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande lehnen es entschieden ab, ehemaligen Gefangenen Asyl zu gewähren. Die übrigen Länder, wie etwa Deutschland, –dürsten zwar nicht danach–, die Rolle des Wohltäters zu spielen, meinen aber, man werde sich damit abfinden müssen.
Die USA selbst beabsichtigen nicht, diesen schuldlosen Opfern Asyl zu gewähren. Für sie bleiben diese Menschen weiterhin ein –Risikofaktor–. Die schuldlos Schuldigen streben aus Furcht vor Verfolgungen nicht danach, in ihre Heimat zurückzukehren. In China, Saudi Arabien, Afghanistan, Aserbaidschan oder Jemen erwartet sie alles Mögliche, nur kein warmherziger Empfang. Somit bleiben nur ausgewählte europäische NATO-Bündnispartner, die – im Unterschied zu Ländern mit einer souveränen Politik – Washington nicht abzusagen wagen.
Die Seite der Geschichte der modernen Inquisition unter dem Namen –Guantanamo– wird umgeblättert werden. Unklar bleibt dagegen das Schicksal der Geheimgefängnisse der CIA im Ausland. Und zwar in Ländern, die Washington offiziell wegen einer –Verletzung der Menschenrechte– kritisiert, aber deren Dienstleistungen ihrer Folterknechte es nicht verschmäht. Die neue Administration der USA bewahrt diesbezüglich Stillschweigen.
Und schlieÖlich die Hauptsache. Hunderte Menschen in aller Welt wurden entführt und ohne jede Untersuchung ihres Falls sowie ohne jedes Gerichtsurteil eingesperrt. Wie sich herausstellte, meistens nur unter dem bloÖen Verdacht, ein Terrorverdächtiger zu sein. Diese Barbarei begingen Behörden der USA, die sich selbst als Apostel der Freiheit und Demokratie bezeichnet haben. Wird irgendjemand für diese Untaten, für diese gebrochenen Schicksale zur Verantwortung gezogen werden? Das wird gewiss kaum geschehen, denn kraft der Bemühungen der USA machen die Prinzipien des Völkerrechts konsequent und beharrlich dem Kult der Stärke Platz. Ebenso wie zu Zeiten des Römischen Reiches mit dem dominierenden Prinzip: Von welchen Gesetzen redest du, wo ich doch ein Schwert in der Hand habe?
Soweit der Kommentar von Sergej Guk vom 29.01.2009.
Quelle: Stimme Russlands