Wird Ägyptens Präsident Sisi der nächste in der Reihe der Schurken?
Ägyptens Staatspräsident könnte bald zu einer der beliebtesten Zielscheiben der westlichen Propagandamaschinerie aufrücken. Also in Gesellschaft von Bösewichten der Topliga wie Putin und Erdogan. Warum? Nachdem die Türkei begonnen hat, dem atlantischen System den Rücken zu kehren und sich strategisch nach Eurasien zu orientieren, ist in Ägypten eine ähnliche Verschiebung im Gange. Das auf dem Sinai und von Libyen her selbst durch Terroristen bedrohte Land will sich offenbar dem Kampf der russisch geführten Anti-Terror-Koalition in Syrien anschliessen.
In einem Interview[1] des portugiesischen staatlichen TV-Kanals RTP, das am 21. November ausgestrahlt wurde, sprach sich der Präsident der Arabischen Republik Ägypten, Abdel Fattah al-Sisi in erstmals in dieser Deutlichkeit öffentlich für die von Russland geführte Anti-Terrorkampagne und für die Souveränität und territoriale Integrität Syriens aus. Grob zusammengefasst vertrat er die Position, dass die Grossmächte und Regionalmächte sich auf eine Lösung verständigen sollten, welche neben der Einstellung der Kämpfe und der humanitären Hilfe auch die Entwaffnung der Terroristen einschliessen muss. Im UNO-Sicherheitsrat hatte Ägypten deswegen im Oktober den russischen Resolutionsentwurf dem französischen vorgezogen.
Auf die Frage, ob er auch an einen Einsatz von ägyptischen Truppen im Rahmen einer UNO-Intervention in Syrien denke, antwortete Sisi in einer Weise, die erkennen liess, dass ein solcher Einsatz eher ausserhalb der UNO im direkten Vernehmen mit Damaskus erfolgen könnte: Anstelle einer UNO-Intervention sei es vorzuziehen, dass die nationalen Armeen ihre Verantwortung wahrnehmen. “Es ist besser, wenn man dazu die Unterstützung der nationalen Armee hat”, erläuterte Sisi dem RTP-Reporter, welcher auf seine Nachfrage “Meinen Sie damit die syrische Armee?” ein schlichtes “Ja” zur Antwort erhielt.
Der russische Think Tank Strategic Culture Foundation (SCF) verweist in seinem online-Journal auf eine eine Reihe von Signalen für eine Hinwendung des Nillandes nach Eurasien. Wegen der ägyptischen Unterstützung für russische Resolutionsentwürfe zu Syrien im UNO-Sicherheitsrat, dem das Land als nichtständiges Mitglied angehört, und wegen der Weigerung Kairos, sich in den Yemen-Konflikt hineinziehen zu lassen, hat Saudi-Arabien sogar Erdöllieferungen nach Ägypten blockiert.
Unter Berufung auf “gut informierte arabische Quellen” berichtete die libanesische Zeitung Al-Safir über die Ankunft von 18 ägyptischen Piloten auf dem syrischen Militärflugplatz Hamah, am 12. November. Aus dem Umkreis der syrischen Regierung will das Blatt zudem erfahren haben, dass ein grösseres ägyptisches Kontingent im Verlauf des Januars eintreffen werde, “um an den militärischen Operationen teilzunehmen, welche sich nicht auf die Unterstützung für die Luftwaffenbasis Hamah beschränken”. Die von Alex Gorka vorgelegte SCF-Recherche verweist ferner auf die Intensivierung der Kontakte zwischen Kairo und Damaskus auf diplomatischer, militärischer und geheimdienstlicher Ebene.
Eine militärische Intervention Ägyptens auf Seite der russisch-syrischen Koalition wäre tatsächlich ein nicht zu unterschätzender Faktor. Gorka verweist darauf, dass der Westen das 1400 Jahre alte Schisma zwischen Sunniten und Schiiten gerne als politische Karte ausspielt und anzuheizen versucht. Wenn sich das grosse sunnitische Land Ägypten nun auf die Seite von Iran und Syrien schlägt, dann wird der sektiererischen Interpretation des Unterschieds zwischen beiden Formen des Islam der Boden entzogen. Die Signale vom Nil her geben Zuversicht, dass das Land die weiteren Geschicke in Westasien positiv beeinflussen wird. Und dass weitere Schritte von Ägypten und anderen Ländern folgen werden, die zum Entstehen einer regionalen Anti-Terror-Struktur oder – so Gorka – sogar eines von den USA unabhängigen Militärblocks führen könnten.
Ähnlich sehen das wohl auch die Völker Ägyptens und Syriens, die durch eine alte Freundschaft verbunden sind. Sie haben in der Geschichte vieles gemeinsam durchgemacht und sind viele Wege gemeinsam gegangen. Und in den 1960er Jahren kam es sogar zum Versuch, beide Länder in der “Vereinigten Arabischen Republik” zu einer staatlichen Einheit zu verschmelzen. Der wahre Konflikt dreht sich um Terrorismus und Extremismus, nicht um die theologischen Widersprüche zwischen Sunna und Schia.
Zusammengefasst, und parallel zu den Berichten von der syrischen Kriegsfront, sind das gute Nachrichten auch auf der politischen Ebene. Sie sind so gut, dass – wie eingangs angedeutet – Gegenreaktionen von frustrierten Kreisen zu erwarten sind.
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1 Video des Interviews (in englisch/arabisch mit portugiesischen Untertiteln): Entrevista da RTP ao Presidente do Egipto, Abdel Fattah al-Sissi
2 Syria: Egypt Joins the Fray to Support Russia-Backed Coalition (27.11.2016)
(08.12.2016/mh)