Die Entamerikanisierung der Weltwirtschaft
Moskau, 3. Juli (Stimme Russlands, Oleg Obuchow) – Die multipolare Welt strebt nach einer “Entamerikanisierung” der Weltwirtschaft und möchte vom Bretton-Wood-System abkommen. Schon seit Jahrzehnten ertönen derartige Aufrufe. Der Weg zur Ablösung der führenden Währung ist allerdings nicht leicht. Die Finanzkrise beschleunigte jedoch die Umsetzung der Idee, die Finanzwelt zu ändern. Die sich entwickelnden Märkte sind in die Arena getreten.
Das im Jahr 1944 geschaffene Bretton-Wood-System sei deutlich veraltet, sagen Experten. Nachdem es die zwischenstaatlichen Finanzbeziehungen im vergangenen Jahrhundert bestimmt hat, berücksichtigt es nicht mehr die heutigen Realitäten – den multipolaren Charakter der Welt. Demnach wird der Dollar in der Perspektive der Vergangenheit angehören. Aber trotzdem bestehe momentan keine zwingende Notwendigkeit, zu einer neuen Währung überzugehen, meint der russische Analytiker Jewgeni Retjunski:
“Sie entsteht vorerst mehr auf politischer Ebene, um sich künftig vor möglichen Problemen mit dem Dollar zu schützen. Aber auch, um den Monopolismus des Dollars als Weltwährung zu verringern. Besonders tiefgreifende ökonomische Gründe sind vorerst nicht vorhanden. Es sei denn, die neuen Volkswirtschaften erstarken, solche wie China, die Länder Südamerikas, Russland, Indien.”
Heute kann man lediglich sagen, da sich der Anteil der USA am Welthandel und an der Weltproduktion allmählich verringert, wird zweifellos die Rolle des Dollars abnehmen. Die Experten meinen, Veränderungen im Weltfinanzsystem würden nicht früher als in 50 Jahren beginnen, sagt Professor Alexander Abramow vom Lehrstuhl für Aktien- und Investitionsmärkte an der Wirtschaftshochschule. Gewiss werde es ein langfristiges Programm zum Übergang zu einer dem Euro ähnlichen Währung sein, meinte er und fuhr fort:
“Je nach dem Mass der Integration der Volkswirtschaften, dem Wachstum des Vertrauens werden sich die Länder bemühen, irgendwie eine universale Währung zu nutzen, um für Waren und Dienstleistungen zu zahlen. Vorerst fällt es schwer, sich ein solches Szenarium vorzustellen. Das Auftauchen des Euro hat zum Beispiel etwa 30 Jahre gedauert. Und wir sehen, dass es jetzt oft Probleme mit ihm gibt.”
Indessen nutzen die Länder, wenn sie einander vertrauen, schon heute bei gegenseitigen Verrechnungen ihre Währungen. So zum Beispiel soll der Bau einer Brücke über die Strasse von Kertsch (eine Meerenge) in Rubel und Yuan finanziert werden. Derartiges ist zwischen Russland und China möglich, weil es zwischen beiden Ländern einen langfristigen und umfangreichen Warenaustausch gibt. Und je nach dem Wachsen neuer Wirtschaftszentren, solcher wie die Länder der BRICS, wird die Frage auftauchen, inwieweit der Dollar jener “Geld-Gott” sei, zu dem man beten soll. Vor diesem Hintergrund, so bemerken Ökonomen, gebe es auch Perspektiven für den russischen Rubel. Er könnte eine Währung für den zwischenstaatlichen Rechnungsverkehr werden, meint Professor Abramow.
“Der Vorteil des Rubels besteht darin, dass er eine mehr oder weniger stabile Währung ist, die eine stabile Makrowirtschaft besitzt. Russland realisiert eine Menge grosser internationaler Projekte. In der letzten Zeit handeln die russische Regierung, die monetären Behörden beim Voranbringen des Rubels als internationale Währung aggressiver. In manchen bilateralen Projekten sind die Perspektiven für die Nutzung des Rubels offensichtlich, insbesondere mit China, Kasachstan und Weissrussland.”
Um auf die Prognosen hinsichtlich eines Fiaskos des Dollars als einzige Reservewährung zurückzukommen, so führen Experten das Beispiel der Weltbank an, die im vergangenen Jahr in Hongkong ihre ersten Obligationen herausgab, denominiert in chinesischen Yuan. Ihre Käufer wurden Finanzorganisationen, Unternehmen und Privatpersonen, die ihren Sitz in Hongkong haben. Ungeachtet der Tatsache, dass sich diese Emission auf nur 500 Millionen Yuan (76 Millionen Dollar) beschränkte, ist es ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Weltwirtschaft auf der Suche nach alternativen Währungen befindet, die den kranken amerikanischen Dollar ablösen könnten.
Quelle: Stimme Russlands (03.07.2014)