Nationale Souveränität ... auch bei der Computer-Sicherheit
von Alberto Togni, Nationalratskandidat 2015 für die Kommunistische Partei
Es ist zwei Jahre her, seit die brisanten Offenbarungen von Edward Snowden den “Datagate”-Skandal erzeugten. Die seit jenem Junimonat erfolgte Vielzahl von Offenbarungen (die Existenz von PRISM, des Programms, mit welchem die NSA auf E-Mails, Fotos, Dateien und Kommunikation verschiedener Benutzer über soziale Medien zugreifen kann, sowie eine Liste von 38 Botschaften, die unter Kontrolle gehalten wurden, bis zum Abhören von Telefongesprächen von Angela Merkel in Person) zeigt, dass wir mehr oder weniger alle unter dem wachsamen Auge der NSA stehen. Die darüber enstandene Debatte hat sich sofort in zwei Fraktionen aufgeteilt: Diejenigen, die Snowden beschuldigen, ein Verräter an seinem Land zu sein, und jene, die seine Tat zur Heldentat erhöhen, welche ihn als Freiheitskämpfer weiht. Wenn wir für einen Moment das heilige Recht auf Privatsphäre beiseite lassen, das jeder besitzen sollte, gibt es zwei Fragen, die wie ich glaube im Verlauf des Streits nicht wirklich berücksichtigt worden sind.
Die erste handelt von der Struktur und dem Mandat der NSA. Diese ist, wie durch den Namen ausgedrückt, eine nationale Agentur, die sich, theoretisch, ausschliesslich damit beschäftigen sollte, was die Sicherheit innerhalb der eigenen Grenzen betrifft. Sie hat daher keinerlei Legitimität, sich zum “grosser Bruder” der Welt zu erheben, auch dann nicht, wenn die potenziellen Gefahren von aussen her kommen. Vor allem, wenn die fragliche Agentur ausserdem in der Lage ist, unabhängig von jeglicher Rechtsprechung zu operieren, und keine Verpflichtung besteht, Dritten über die Ergebnisse der Kontrollen zu berichten, die sie vornimmt (etwas, was eine Organisation wie die IAEO, die Internationalen Agentur der Atomenergie-Organisation, richtigerweise gehalten ist zu tun).
Die zweite Frage, und da frage ich mich, warum kein Liberaler dieses Argument jemals vorgebracht hat, betrifft die fast völlige Kontrolle über alle im Bundestag ein- und ausgehenden Daten. Wenn die NSA in der Lage ist zu wissen, was Angela Merkel während ihrer Gespräche am Telefon diskutiert, wer garantiert uns dann, dass sie es nicht gerade jetzt in einem Schweizer Unternehmen tun (dass sie es übrigens getan haben, wurde teilweise bereits festgestellt, als im Jahr 2007 die CIA einen Bankier in Genf erpresste, um an Informationen über Schweizer Banken heranzukommen), wodurch eine gefährliche Industriespionage praktiziert wird, die den hochgehaltenen Glauben an die liberalen Werte des freien Wettbewerbs untergräbt?
Die US National Security Agency wird sicherlich nicht aus eigenem spontanem Willen stoppen, noch wird sie ein Protokoll annehmen wollen, das für den Schutz der Privatsphäre der Nutzer, Unternehmen und Politik sorgen würde.
Es ist daher notwendig, dass die Schweiz sich an einem Tisch mit einer Reihe von anderen Staaten setzt (man denke an Deutschland, Frankreich, aber auch in Brasilien und Indien), um ein Bündnis zu schaffen, das sich den gegen die nationale Souveränität eines jeden Landes gerichteten Einmischungen entgegensetzt, und vielleicht die Gelegenheit nutzt zum Start der Debatte über die Notwendigkeit, in einer Welt, in der Staaten zunehmend voneinander abhängig sind, einen einen internationalen Vertrag auf dem Gebiet der Kommunikation und Privatsphäre zu schaffen.
Original: Alberto Togni – Sovranità nazionale… anche nella sicurezza informatica (sinistra.ch, 28 settebre 2015) | Übersetzung: kommunisten.ch (07.11.2015)