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Die Xenophobie der EU

Kommentar von Inês Zuber, Vertreterin der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) im Europäischen Parlament

Am letzten Sonntag haben die Stimmbürger der Schweiz eine Vorlage über die Verhärtung der Einwanderungspolitik angenommen, welche die Einführung von Höchtzahlen für Bürger der EU-Länder vorsieht. Die Initiative «gegen die Masseneinwanderung» wurde von 50,3% der Stimmenden angenommen und stellt den Vertrag mit der Europäischen Union über die Personenfreizügigkeit in Frage. In der Tat ist es beunruhigend und ein Anlass zum Nachdenken, warum die Mehrheit der Stimmenden der reaktionären, rassistischen und nationalistischen Rechten der SVP hilft, welche den Immigranten die Schuld für die im Land bestehenden Probleme zuschiebt.

Unverzüglich hat die Europäische Kommission bedauert, dass die Initiative «für die Einführung von Quoten für die Immigration passiert» sei, und drohte, alle mit der Schweiz getroffenen Vereinbarungen zu kappen. Die Kommissarin Reding liess verlauten, der Binnenmarkt sei «kein Schweizer Käse mit Löchern».

Wer solches hört, könnte meinen, die EU sei eine Vorkämpferin der Rechte und Freiheiten der Immigranten. Man könnte glauben, sie sei eine kräftige Verteidigerin der Demokratie, der Idee, dass alle Menschen gleich behandelt werden müssen, unabhängig davon, wo sie herkommen und wo sie sich aufhalten.

Aber woher nimmt die EU die Legitimation, das Loblied auf die Freizügigkeitsrechte zu singen, war es doch die EU selbst, die mit dem Schengen-Raum und allen damit verbundenen Diskriminierungen die grausamste und unmenschlichste Grenze gegen das Ausland geschaffen hat. Was im vergangenen Oktober geschehen ist – der tragische Tod von über 300 Immigranten, die den europäischen Kontinent mit ihrem prekären Boot erreichten und dabei ertranken, und die diesen Weg gegangen sind, weil die EU ihnen jede andere Form verweigert – zeigt den unmenschlichen Charakter der auch von der Mehrheit des Europäischen Parlaments mitgetragenen EU-Einwanderungspolitik, die jene, die vor Not, Ausbeutung, Hunger und Krieg flüchten, wie unerwünschte Verbrecher behandelt.

Der Vertrag von Lissabon … diktiert die Vereinheitlichung der Einwanderungspolitiken auf EU-Ebene und hat zur weiteren Zementierung der Konstruktion der «Festung Europa» geführt, welche den Rassismus und den Fremdenhass nährt. Er behandelt die Immigranten wie Wegwerfobjekte, die je nach dem Bedarf der EU an billigen Arbeitskräften ausgelesen werden. Es war die EU, und selbstverständlich die Mehrheit des EU-Parlaments, die die «Rückführungs»-Richtlinie beschlossen haben, die zu Recht als «Richtlinie der Schande» bekannt ist, und die es möglich macht, dass Immigranten, die in einem Land leben und arbeiten, die nie irgendwelche Verbrechen begangen haben und mit ihren Familie hier wohnen, administrativ aus der EU ausgewiesen werden können. Noch im vergangenen Jahr unternahm die EU zusätzliche Schritte zur Durchsetzung einer Politik mit polizeistaatlichen, kriminalisierenden, ausbeuterischen und selektiven Zügen gegenüber den Immigranten. Im Juni 2013 vereinbarten das EU-Parlament und der Europäische Rat die Möglichkeit die Wiedereinführung von Grenzkontrollen für eine Höchstdauer von zwei Jahren, wenn sie sich von grossen Immigrationwellen «bedroht» fühlen. Was für eine «Bedrohung» können die Immigranten darstellen? Oft wird es sich um diejenigen handeln, die als wirtschaftlich schädlich angesehen werden – wobei unterschwellig rassistische Motive mitwirken –; andere werden politisch unerwünscht sein.
Das Schengener Informationssystem (SIS II) übernimmt neue Zuständigkeiten, mit neuen Warnkriterien, die den Informationsaustausch für die Grenzkontrollen ausbauen. Gesteigert wird das Niveau der «Risikoeinschätzungen», die von der Frontex für jedes Land auf der Grundlage von Fragekatalogen und Inspektionsvisiten dieser Institution vorgenommen werden.

Und nach dem tragischen Desaster von Lampedusa, was hat die Europäische Union getan? Hat sie etwa die Zusammenarbeit, die Solidariät und den Dialog mit der Herkunftsländern gestärkt? Natürlich nicht. Um gleichen Desastern «vorzubeugen», hat sie unter dem Namen EUROSUR einen Mechanismus geschaffen, um die Aussengrenzen besser zu kontrollieren, und zur Erhöhung des Informationsaustausch unter den Mitgliedsstaaten über alles, was in den angrenzenden Meeren passiert. Um so Schiffe mit Flüchtlingen an Bord frühzeitiger zu erkennen und «in Sicherheit» in ihre Länder zurückzuschicken. Ohne grosse Störungen und öffentliche Skandale, welche die so demokratischen Charakter der EU in Frage stellen könnten.

Ja, die Verbreitung von rassistischen und neofaschistischen Idealen ist besorgniserregend. Aber die EU hat hier einige schwere Schulden auf ihr Register geladen und es ist unannehmbar, dass sie versucht, der Welt Lektionen in Demokratie zu erteilen.


Original (port.): Jornal «Avante!» – Europa – A xenofobia da UE («Avante!», N.º 2098, 13 de Fevereiro de 2014)
– Übersetzung: kommunisten.ch (mh/17.02.2014)


Siehe auch:

Zur EU und zum Verhältnis Schweiz/EU:


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